Hörenswert: Wild Beasts – „Boy King“
Der Junge, der König wird ist, halt oft nur ein kleiner Junge auf einem großen Thron. So oberflächlich und grausam das auf der einen Seite klingt, desto tiefer kann sich dieses Bild auf der andere Seite als exponierte und völlig offen gelegte Metapher verstehen.
Die Menschheit so im Gesamten fällt da wohl eher ersterem zu, das aktuelle Album von Wild Beasts darf sich da schon bei zweiterem einordnen.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 26.08.16 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 01.09.16 ab 00:00 Uhr.
„Boy King“ ist das fünfte Album der Briten, die sich 2002 in Kendal zusammenfanden, und ist voll von Ent-Verkopfungen, Ent-Zuknöpfungen und tatsächlich 80er-Jahre-Sound. Schimmernder, glitzernder und independent Synth-Pop mit Hang zur düsteren Seite der Sexualität und aufgebrachten Herzen, pulsierend außerhalb des vorgegeben Taktes.
Der musikalische Weg der Band ging beginnend bei Artrock über Indie Rock bis zum Synth-Pop, das wild- und Biest-Sein will schließlich gelernt sein. Hier wird deutlich, dass zwischen „Present Tense“ von 2014 und dem aktuellen Album ein klarer Wandel stattfand, nicht nur in der Thematik, auch musikalisch: Statt verstrickten, minimalistischen, eleganten Sounds dominieren jetzt schon eher zügellose Momente, Instinkt, ein bisschen Dreck, deutlich mehr implizierter Sex und auch Metaebenen des Seins, Adonis konkurriert mit Colossus, große Katzen schleichen wie „Celestial Creatures“ durch die Gehörgänge, der Bass swagged und hinter geschlossenen Augen tanzen Laser und Stroboskop. Der Kopf ist ein Tier.
Zugegeben, bei ‘Boy King’ taucht bei Fans einer einschlägigen Serie gleich das Bild des bestialisch-kindlichen Kinderkönigs auf, wo sich in Analogie die Musik der Wild Beasts ebenso gestaltet: Im Grunde ist das Album genau das: Was passiert mit einem kindlichen Geist, der in die menschlichen, erwachsenen Muster gepresst wird, von dem plötzlich etwas verlangt wird, wozu er noch lange nicht fähig ist. Oder, metaphysischer: Wie wäre es, den erwachsenen Körper von einem völlig reinen und unschuldigem Kind leiten zu lassen. Das nicht weiß, was erlaubt ist und was nicht. Was passiert?
Falsettgesang für düstere Nächte, electric flirting with soul-nakedness und auch eine kleine Insel im Meer voll auferlegter Konventionen. Wild Beasts sind in Zukunft wohl die Weiterhören-Empfehlung am Ende von Rezensionen von Muse oder der Arctic Monkeys (vielleicht auch mal Nine Inch Nails, wenn sie älter werden). „Boy King“ ist wunderschön anzuhören und noch tiefer dringt es, wenn man will, als boy king in den eigenen Kopf.
Dagegen kann auch der Gehirnclown einpacken.
„Boy King“ von Wild Beasts is am 5.August 2016 bei Domino Records erschienen.
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