Hörenswert: Provinz – „Wir bauten uns Amerika“
Das könnte spannend werden: Zwischen der immer leicht pathetischen Epik von deutschsprachigem Indie Folk-Pop und solidem Songwriting erklimmen Provinz mit ihrem ersten Album und beeindruckender Stimmgewalt den Tellerrand ihres Namens und steigen mit großen Schritten darüber hinaus. Wir hypen mal jetzt schon, bevor es alle anderen tun.
Hörenswert. RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 07.08.20 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 13.08.20 ab 00:00 Uhr.
Traurig sind sie aber trotzdem. Gar nicht mal so „alles-ist-scheiße-traurig“ aber dann doch nicht wirklich optimistisch. Vielleicht ist die Traurigkeit auch die neue Akzeptanz, nur ein bisschen ehrlicher? So quasi: Hilf ja eh nix aber man muss jetzt auch nicht unbedingt mit gezwungener Fröhlichkeit dagegen ankämpfen. Ja danke, mir geht’s eigentlich garnichtmal so gut!
Mach Platz!
Provinz aus Ravensburg verschwenden gerade ihre wohlverdiente Jugend, dazu privilegiert und trotzdem mit Freuden daran leidet – wobei es dafür gar nicht so viele Gründe, außer die üblichen, gäbe: Seit 2019 sind sie bei Warner Music Germany gesignt, produzierten ihre letzte EP „Reicht dir das“ mit Tim Tautora (AnnenMayKantereit, Faber), waren schon beim Reeperbahnfestival auf der Bühne UND bei Inas Nacht sogar schon im Fernsehen (!). Läuft also für die drei Cousins und ihrem Kumpel.
„Wir bauten uns Amerika“ ist das impulsive, ehrliche, hungrige und energetische erste Album. Das Leben im Moment, ohne vorausdenken zu müssen, alles unmittelbar jetzt erleben und gleichzeitig verzweifeln und aufbrechen, zwischen der Belanglosigkeit des eigenen Lebens und all dem, was noch kommt. Eine blutjunge Jungs-Band im folk-poppigen Sturm-und-Drang-Taumel, dramatisch und vorsichtshalber gleich stadiontauglich. Aber trotzdem so, dass man trotzdem mit dem Ohr hängenbleibt, nicht zuletzt wegen der kratzig-rauen und falsettierenden Stimme von Sänger Vincent Waizenegger.
Wenn die Party vorbei ist
Exzess, Rausch, Ungestümheit und Liebe, die großen Themen zwischen jung und alt. „Tanz für mich“ funktioniert bestimmt auch auf den großen Festivals, dank eingängigem Text, ein bisschen Traurigkeit, etwas mehr fuck-off-Attitüde und ganz viel Carpe Diem im tanzbaren Rhythmus von Piano, Tambourin und Gospel-ähnlichem Männerchor. Die Mischung funktioniert. Bei „Augen sind rot“ ist, ja, zugegeben, der erste Gedanke an Echt. Wohl aber weil sich viele Geschichten einfach nicht ändern. Immer noch leiden die Menschen aneinander und steigen sich beim Versuch, sich nicht auf die Füße zu treten, doch immer wieder drauf.
„Diego Maradona“ ist das gemeinschaftliche Nananananaa und lehnt sich gefällig in Richtung Pathos: „Es gibt nichts zu feiern, ich schieß mich ab wie Diego Maradona“. Provinz zitieren ihre Jugend, ihre Vorbilder, die großen Gestern der Pop-Geschichte und Jim Morrison. Für den Anfang tatsächlich vielversprechend und für die Länge eines Pop-Songs der perfekte Soundtrack für die Volatilität der Adoleszenz.
„Sie sind cooler als AnnenMayKantereit, tanzbarer als Wanda und jugendlicher als Faber. Sie sind, ja doch, ziemlich gut.“ (Musikexpress.de)
„Wir bauten uns Amerika“ von Provinz ist am 17. Juli 2020 bei Warner Musik Germany erschienen.
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