Hörenswert: A.S. Fanning – „You Should Go Mad“
Der Multiinstrumentalist und Folk-Noir-Musiker A.S. Fanning – aka Stephen Fanning – holt auf seinem Album „You Should Go Mad“ nicht nur idiosynkratische Sounds an die Oberfläche eines tiefen, dunklen Soundmeeres.
Er vereint sie dort in schönster Neo-Psych-Rock-Manier mit düster-eloquente Geschichten, erzählt mit passend schwarz-samtigen Baritonstimme.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 20.11.20 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 26.11.20 ab 00:00 Uhr
Werde wahnsinnig, es ist besser so.
Schonungslos und eindringlich ist wohl eine gute Zusammenfassung der Musik von A.S. Fanning. Bevor er 2015 seine erste Solo-Single „Carmelita“ veröffentlicht, ist Fanning Frontmann und Songwriter der Dubliner Bands Porn Trauma und The Last Tycoons. 2017 erscheint sein Debütalbum „Second Life“, im selben Jahr steht er beim prestigeträchtigen SXSW Festival in Austin, Texas auf der Bühne.
Der Nachfolger „You Should Go Mad“ brodelt eklektisch, melancholisch und mit lyrischer Getriebenheit, mit einer großen Bandbreite an Sonic-Synth-Sounds referiert das Album nicht nur auf den Zustand des psychischen Krank-seins, sondern auch auf Moby Dick: Denn in einer Szene spricht Ahab mit dem Schmied Perth: „I am impatient of all misery in others that is not mad. Thou should’st go mad, blacksmith!“
Stilistisch Schizophren.
A.S. Fanning legt damit und auch mit dem Einsatz von ungewöhnlichen Instrumenten den Fokus auf Spielspaß und Experimentierfreudigkeit bei den Aufnahmen zu „You Should Go Mad“. Eine gewisse Verspieltheit und leichter Schelm liegen auch über den dunkelsten Stellen und über dem roten Faden, der sich durch das Album zieht. Fest in literarisch irischer Tradition und Folkmusik, in 60er Psychedelia und Gothic Rock’n’Roll verankert und die Einflüsse des Lebens in Berlin einknüpfend exorziert „You Should Go Mad“ existenzielle Bedrohungen, Angst und Chaos, ohne jedoch in die Verzweiflung abzudriften.
Tauziehen zwischen Me, Myself & I.
„Worms“ steigt schwer, episch und irgendwo zwischen Zerstörung und Aufrichtigkeit in die Meditation der Madness ein. „Song To The Moon“ streicht sich wunderschön über die geschundene Seele, Fannings weltmüde Samststimme erzählt mit introspektivem Songwriting von wohltuenden Erinnerungen. Der Titelsong „You Should Go Mad“ dringt ahnungsvoll zum Turning Point vor, beinahe hysterisch bricht der heilende Wahnsinn den Schmerz. „Dumb Your Dreams“ schunkelt sich beschwingt und mit gewissem Kitsch wie eine alte Country-Hadern dazwischen, bevor mit „Hog Fever“ die manische Fatalität im Disco-Gewand a là King Dude überhand nimmt. Mit „All Time“ fügt sich „You Should Go Mad“ schließlich aber doch der Liebe und Akzeptanz, beziehungsweise der Liebe und Gnade.
„I wrote it very quickly one night, it just sort of fell out fully formed, as sometimes happens.
I was thinking about Slaughterhouse-Five by Kurt Vonnegut, and the idea of being
‚unstuck in time‘. And relating that to my own mental rifling through past incidents and
projections of the future, which is obviously a waste of time and energy, but
something I engage in quite frequently.“
Verheerende Ehrlichkeit in der warmen Dunkelheit, mit dem Kopfkino als Cinema Noir. Fannings „You Should Go Mad“ reißt bewusst verbundene Wunden auf, um den Heilungsprozess mit all seinen Stationen zu zelebrieren.
Das mag beizeiten unheimlich sein. Am Ende zeigt sich jedoch, dass der Wahnsinn doch schon auch Sinn für Humor hat.
„You Should Go Mad“ von A.S. Fanning ist am 13. November 2020 bei Proper Octopus Records erschienen.
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