Hörenswert: Ada Oda – „Pelle d’Oca“

Die Sehnsucht nach dem perfekten Italo-Pop-Sound mit schroffen Post-Punk-Kanten erfährt mit Ada Odas zweitem Album „Pelle d’Oca“ endlich ihre Erfüllung.
Hier treffen belgischer Underground und italienische Nostalgie aufeinander und erfreuen sich gemeinsam an Post-Punk aus den Achtzigern, Vintage Pop, ein bisschen Low-Fi und Italo-Nostalgie angesichts dem, nun ja, Jetzt.
Hörenswert. RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 7.3.25 ab 14:06 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 13.3.25 ab 00:00 Uhr
E questa è la vita
Die Für-Fans-Von-Liste reicht von Wet Leg über Sleaford Mods bis hin zu Adriano Celentano und das ist damit mehr als nur akkurat. Ada Oda stammen aus Brüssel und sind seit ihrem Debütalbum „Un Amore Debole“ 2022 in ganz Europa, den USA und Kanada unterwegs. 2020, als Tinder noch spannend war, trafen sich ebendort César Laloux, belgischer Multiinstrumentalist (The Tellers, BRNS, Italian Boyfriend), und Victoria Barracato, Sizilianerin mit Chanson-Wurzeln. Er schreibt Songs, will sich aber selbst nicht auf Platte hören, sie hat eine herrlich kratzige Stimme und singt exotischen Italienisch. Mit Clément Marion am Bass (David Numwami, Judith Kiddo), Alex De Bueger am Schlagzeug (Alaska Gold Rush, Gros Cœur) und Aurélien Gainetdinoff (San Malo, Yolande Bashing) an der Gitarre ist Ada Oda ein Konglomerat an minimalistischen Arrangements, scharfen Gitarren, treibendem Rhythmus und mal präzisem Gesang, mal atemlosem Sprechgesang – und irgendwie ein Hybrid mit seltsamem Modernismus, als wäre diese Kombi noch nicht erfunden worden. Oder als hätte er sich selbst aus punkiger Nonchalance und Paranoia der Moderne heraus erfunden.
Calva, Raki, Limoncello

So pendelt auch „Pelle d’Oca“ zwischen der Romantik und den Ruinen durch Europa, zwischen Sicherheitssucht und Kontrollverlust. Es geht um Liebe in binärem Uptempo, um Visionen von Zwischen- und Nebenmenschlichkeit, der Bedeutungslosigkeit der Gegenwart, Desillusionen. César schreibt die Songs, Victoria übersetzt sie auf Italienisch und passt sie an. Die daraus entstehende Dualität jeder Note lebt auch in jeder Faser des Albums – hin- und hergeworfen vom Spannungsverhältnis zwischen Euphorie und Angst: Unmögliche Liebe („E questa è la vita“, „Settembre“, „Ho Amato Tutto“), Eifersucht („La Gioventù“, „Sotto la Conchiglia“), gesellschaftlicher Kontrollverlust („In Piazza“, „Figlia d’Europa“, „Sicurezza Priorità“) oder die Angst vor dem Tod („Sul Palo“) kommen in einer Mischung aus ruhigen Balladen, catchy Popsongs und Punk-Hymnen daher, als wären sie zur Gänze roher Live-Energie entsprungen (was sie wahrscheinlich auch sind), Gitarre, Schlagzeug und Bass donnern regelrecht zu jedem sich aufbauendem Thema.
Die Lyrics sind nüchtern und betrachten die Welt mit einem Hauch Ironie, die Übersetzung macht daraus etwas, was in jeder anderen Sprache anders funktionieren würde. Die Mentalität des Italienischen nimmt der Fatigue der Themen die Schwere und hüllt sie in Italo-Post-Hardcore; auch was den Inhalt betrifft: Das „kurz vor dem Abgrund“ hat sich verwandelt in „wir sind schon zwei Schritte weiter“ und eigentlich kann man mit Wörtern den Situationen keine Bedeutung mehr geben. Aber die Musik öffnet den großen Gap zwischen Wissen und Fühlen und führt schließlich zur Vereinigung. Hier braust Katharsis auf!
„Mein Vater und mein Großvater lieben sich, dann hassen sie sich / Auch der Vater meines Vaters
und der Onkel meines Onkels / Mein Vater und die Tante meines Onkels und meine Mutter /
Meine Mutter und mein Großvater weinen und versöhnen sich,
aber ich / peinliches Schweigen“
(aus „Immobile“)
Vecchia Storia
Während sich Europa in Sicherheitsversprechen und Identitätsfragen verheddert, ist „Pelle d’Oca“ ein musikalisches Ausrufezeichen, ein wahnsinnig witziger Drahtseilakt, der eigentlich nicht gefährlich ist, aber das Netz ist nicht mehr da und deshalb bleibt neben Leichtigkeit und existenziellem Ernst wenig übrig. Die Welt ist eh schon in Unordnung, nimm es also nicht ganz ernst.
„Pelle d’Oca“ von Ada Oda ist am 21. Februar bei 6T2 records erschienen.
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