Hörenswert: Aloa Input – „Devil’s Diamond Memory Collection“
Was würdest du tun, wenn du der letzte Mensch auf Erden wärst?
Das fragten sich Aloa Input sich auf ihrer letzten Tour. Daraus entwachsen ist ein Album, das wohl besser als jede Metapher beschreibt, was in jeder Welt in der zukünftigen Vergangenheit passiert. Und fasst es in der schönen, dunkel verzierten und geheimnisumwitterten „Devil’s Diamond Memory Collection“ zusammen: Ein Album, das mit dir wandert, auch wenn du der letzte Mensch auf Erden wärst.
Hörenswert. RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 14.05.21 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 20.05.21 ab 00:00 Uhr
Zwischen Weird Folk und Taschen-Psychedelia
Aloa Input kann mit Fug und Recht als bayrische Supergroup bezeichnet werden, und das nicht nur ob ihrer Besetzung. Flo Kreier (Angela Aux), Marcus Grassl (Missent to Denmark) und Cico Beck (u.a. The Notwist) trafen sich 2012 und bringen seitdem nichts weniger als experimentellen Pop und alternativen Indie-Rock fernab der Genrekategorie zu Gehör. Und untrüglich ist ihr Gespür für die über allem liegende Stimmung einer Zeit, faszinierend einnehmend ihre Konzerte. Aloa Inputs Musik ist akustische Entfremdung mit wohltuender Wärme. „Raschelnde Raumanzüge und seidenweiche Pyjamas hängen hier dicht beieinander.“
Der Beginn von „Devil’s Diamond Memory Collection“ liegt in einem endlosen Strom an Demomaterial und gleichzeitig in einem sehr konkreten Konzept – vielleicht entsprechen beide Zugänge auch ein und derselben Idee. Bei Sessions in München, Montreal und Mexico City, in Ateliers, Kinos und Kellerräumen entstanden an die 50 Stücke, die in Summe einen einzigen Zustand beschreiben, „die gefühlte Ewigkeit“.
Ein Horrorzustand, eine Wunschvorstellung, die Realität? Assoziationsketten und existentielle Fragen gehören zum Wesen von Aloa Input, beinahe schon per Definition. Verschrieben der größtmöglichen Vielfalt an Einflüssen saugen sie auf, was passiert, erzählen von der Zukunft und schauen aus ihr auf das Jetzt zurück. Fluid im Weltenzustand sozusagen, die Songs klingen wie die Betrachtung von außen, wie ein surreales auditives Daumenkino, wie der Inhalt eines abgegrenzten Bereichs in einem futuristischem Zoo, in dem unsere zukünftigen Ichs ihren Enkeln die Welt von damals zeigen (so als Idee, für das nächste Musikvideo…).
Zurück in die Zukunft.
Hier spielt Musik, die das Undenkbare mit dem Wahrscheinlichen verbindet und das Ergebnis so übersetzt, dass das Kopfkino jeder*jedes Einzelnen den passenden Film dazu spielt. Jede fiktive Perspektive des eigenen Lebens erzählt „eine Rückschau auf die Fetzen unserer Zivilisation“, sagt Songwriter Flo Kreier, der sich auf dem neuen Album in seinem feinen Songwriting auch treiben lässt in Richtung philosophischer Verworrenheit im besten Sinn, in die Ausschweifung der Gedanken. Ein bisschen so wie die Bilder von fernsten Gestirnen, die in dem Moment der Erfahrung schon vor Jahrmillionen verglühten. Vor dem inneren Auge rollen über die Planeten die Windhexen, damit der Unfassbarkeit des Moments und der Musik von Aloa Input die notwendige Dramatik und der „High Noon“ Stimmung einiger Stücke die dazugehörige Westernstimmung verliehen wird. „Als hätten sich die Androiden mit der Akustikgitarre am Lagerfeuer versammelt, um die Menschheit zu verabschieden, die gerade am Horizont in ihren allerletzten Sonnenuntergang gleitet.“
Cloud – Atlas – Daze
So wie sich in „Desert Something“ unsere Gehirne in der Cloud treffen, in „Atlas Daze“ der Mensch in sich sein Ende erkennt – Homo homini lupus in futurum exactum, quasi – oder im Titelsong die Wissenschaft nicht mehr ihren Zweck erfüllen kann weil sie uns überholt hat: Aloa Input sammeln in „Devil’s Diamond Memory Collection“ die Summe der Teile aus denen die Welt zwischen Körper und Geist besteht: Nano-feine Beatkonstrukte, Melodiewellen fließen dahin, polyrhythmische Irrlichter schwirren durch einen Sternenhimmel und im Gedächtnis leuchten plötzlich an verwinkelten Stellen Erinnerungen wie leuchtende Pilze oder Glühwürmchen auf. Feingliedrig erzählen die Lyrics von der guten neuen Zeit, die damals noch keiner glauben konnte.
Alienated und alltäglich. This is the No Age.
„Devil’s Diamond Memory Collection“ erscheint am 14. Mai 2021 bei Siluh Records.
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