Hörenswert: Dele Sosimi & The Estuary 21 – “The Confluence LP”
Geheimnisvoll, verspielt und entspannt erklingen die elf kurzen Lieder dieses Albums, bei dem sich nur eine Frage stellt. Ist das überhaupt noch Afrobeat?
Denn wie Tony Allen pfeift auch Fela Kutis legendärer Keyboarder Dele Sosimi auf jeglichen Afrobeat-Purismus und schreibt für besagtes Genre untypisch kurze, verträumte Lieder mit Singer-Song-Charakter. Wie sich das nennt, kann uns egal sein. Lassen wir uns lieber von der traumhaften Musik verzaubern.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 07.06.24 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 13.06.24 ab 00:00 Uhr.
Fela Kuti. Um den legendären nigerianischen Bandleader, Komponisten Keyboarder, Saxofonisten und Aktivisten, der zusammen mit Schlagzeuger Tony Allen in den Siebzigern den Afrobeat entwickelte, ranken sich unzählige Geschichten, Legenden und faszinierende Ereignisse, die sehr gut in Allens Autobiografie nachzulesen sind.
Mit einer fantastischen Band und einer Vielzahl von Mitgliedern inspirierte Fela Kuti ganze Generationen von Musikern und verbreitete den Afrobeat fast weltweit. Der Keyboarder Dele Sosimi war nicht nur jahrelanger Weggefährte Fela Kutis in dessen Bands Afrika 70 und Egypt 80, sondern spielte später auch einige Jahre bei Kutis Sohn Femi, der sozusagen Kutis Erbe antrat.
Nach Tony Allen findet sich nun ein weiterer Abtrünniger aus dem Fela-Kuti-Clan, der des Urvaters Spuren verlässt und sich traut, neue Wege zu gehen. Für Allen war das sicher leichter, denn die gesamte rhythmische Struktur des Afrobeats basierte ja auf einer Spielart, die er selbst entwickelt hatte. In Allens grandiosem Spätwerk zeigt er uns ja die musikalische Universalität des Afrobeats fern von allen Genres auf. Die musikalische Vielfalt seines Spiels wird so deutlich.
Für Dele Sosimi waren die langen Jahre bei Fela Kuti sicher sehr prägend. Meistens waren es Kutis Ideen, die umgesetzt werden sollten. Und auch bei Femi war es ja recht puristischer Afrobeat , der dort gespielt wurde. Ganz zu schweigen von den strikten Regeln, die in Kutis Band herrschten und an einen James Brown erinnern. Aus dem Schatten so eines dominanten Bandleaders zu treten, mit dem man so lange zusammengespielt hat, ist sicher unglaublich heikel. Vielleicht hat das selbst Maceo Parker nie geschafft.
Vom Bewahrer zum Erneuerer
Dele Sosimi, der nun in London lebt, scheint dies aber durchaus gelungen zu sein. Das klingt völlig anders als bei Allen oder irgendwem aus dem Afrobeat-Clan. “The Confluence LP” besteht aus elf Miniaturen. Vieles wirkt verspielt und skizzenhaft. Die opulente Ausarbeitung der Themen, wie es sich für Afrobeat geziemt, bleibt dabei völlig aus. Nur selten findet sich ein Stück, das länger als vier Minuten dauert.
In diesem Format schafft es Sosimi, einen Zauber zu versprühen, der in aller Schlichtheit und Demut einen konspirativen Charakter besitzt. Geblieben ist allein die rhythmische Grundlage des Afrobeat. Die Musik hat einen eher erzählerischen, spirituellen Charakter, der mit vielen Vocals und den ganzen Einflüssen aus Jazz, Soul, Gospel und vielem anderen wie selbstverständlich erklingt.
Mit diesem Album ist Sosimi etwas Großartiges und Neues gelungen und er hat sich vom Bewahrer zum Erneuerer entwickelt. Das wird den vielen Afrobeat-Puristen sicher nicht gefallen. Doch was hier Sosimi mit seinen Londoner Musikern spielt, klingt fantastisch, kreativ und zeitlos. Auch Dank Sosimi geht die Geschichte des Afrobeat weiter, denn diese Transformation befreit das Genre von seinem inzwischen recht musealen und verstaubten Charakter.
Mit dabei sind: Snowboy, Sam Duckworth (aka Get Cape. Wear Cape. Fly) Alfa Sackey (percussion), Callum Green (drums), Philip Van Den Brandeler (bass), Pete Fraser (sax), Sam Eagle (voice/guitar) und Lizzy Dosunmu (vocals)
“The Confluence LP” ist am 5. April 2024 auf Wah Wah 45s erschienen.
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