Hörenswert: Der Ringer – „Soft Kill“
Den Schmerz einfach wegtanzen
Dass Der Ringer bei sich selbst nicht konsequent genug sind, ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass ihr Debüt „Soft Kill“ 1) bereits seit längerem sehnsüchtig erwartet wurde und 2) so dermaßen gut ist, dass Depri-Pop (Thomas Winkler/ME) wohl bald zum neuen In-Genre wird. Weil man zur Ringer-Musik den Schmerz einfach wegtanzen kann, dabei aber ruhig traurig bleiben darf. Nun, es bleibt auch wenig anderes über, in der Leere des Raums.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 07.04.17 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 13.04.17 ab 00:00 Uhr.
Der Ringer sagen über sich, sie sind halt Softies, die mit emotional hartem Tobak einfach nicht umgehen können. Und meinen das ehrlich, was sich angesichts von üblichen Fassaden und Masken als überraschend neu und offen leidend zeigt. Sich mit der eigenen Verletzlichkeit und dem Eingeständnis dazu zu schützen grenzt bereits an umgekehrte Psychologie – ist ja auch egal, die Entwicklung hin zur Neuen Emotionalität ist nämlich eine faszinierende, Musik wie Eiskristalle im Vakuum: Schwermütige Keys, kalte Gitarren, dumpfer Bass und die allzeit verzerrte Stimme von Jannik Schneider, der sinngemäß apathisch mit der deutschen Sprache jongliert. Der Ringer sind nicht nur Bekannte sondern auch musikalisch weitschichtig Verwandte der heimischen Bilderbuch und widmen sich in ähnlichen Intentionen und Ausführungen der Lyrik. Hamburger Schule, aber irgendwie anders und umgekehrt, quasi. Sonderbar und reizvoll.
Ein Song sei stellvertretend herausgegriffen: „Apparat“ ist einer der schönsten zeitgenössischen Lovesongs die ich seit Anbeginn des digitalen Zeitalters gehört habe. „Du schaust auf die Tastatur / Ich hoffe dir gefällt meine Frisur / Wenn ich dann morgen fertig bin / Gibst du dann meiner leeren Hülle einen Sinn“. Melancholie ist das Vergnügen, traurig zu sein und macht in der Grauheit und Tristesse eines Datennetzes, während die Welt draußen ebenso in Düsternis versinkt, gleich noch viel mehr Sinn.
Analog dazu passt auch das Tagebuch, dass Tammo Kasper von Trümmer auf der Februar-Tour für Der Ringer geschrieben hat. Sie haben ihm das zwar nicht erlaubt, gemacht hat ers aber trotzdem und zitiert dabei: „Wir sind weiß, relativ heterosexuell und traurig“. Unter dem „Mikroskop“ werden diese Menschen dann zwar auch interessiert betrachtet, bleiben aber nur eine Ansammlung von Zellen, „Knochenbrecher“ als äußerstes Bemühen – sei es zum Beweis der doch noch vorhandenen Menschlichkeit oder dem gegenteiligen Überschreiten ihrer Grenzen. In der „Ohnmacht“ schließlich tritt der gar nicht mehr so metaphorische Kaltschlaf ein, vielleicht ist man hier auch schon dankbar, wenn einfach irgendwann nichts mehr spürbar ist.
Liebe in Zeiten der Digitalität, das ist das Metathema, das Der Ringer zu einer exakt konstatierten Momentaufnahme der menschlichen Interaktionen macht, wenn physische Realität nicht mehr gegeben sein muss. Einsamkeit und Kälte, und sich auf den gemeinsamen Kältetod mit seiner Liebe freuen. Das ist wenigstens noch ehrlich, in schönstem CyberPostPunk.
Da freut man sich schon auf die Zukunft, auf die Dates mit Biohackern und Perfect Creatures.
Übrigens: Der Ringer waren vor kurzem in Salzburg beim Yeah!Club im Rockhouse. Am 12. April 2017 ab 21 Uhr gibts im Götterfunk ein Special dazu, ja sogar mit Interviews. Der Ringer sind nämlich auch sprechend hörenswert.
„Soft Kill“ von Der Ringer ist am 27. Jänner 2017 bei Staatsakt erschienen.
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