Hörenswert: Die Buben im Pelz – „Geisterbahn“
Wiener Rock ist jetzt ein Genre.
Die coolste Underground-Band Österreichs Die Buben im Pelz definieren es in „Geisterbahn“ mit dem Zeitgeist der Erinnerung und blicken im Schutz der Vergangenheit auf den bevorstehenden Kollaps.
Hörenswert. RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 04.06.21 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 10.06.21 ab 00:00 Uhr
Wia foan, foan foan mit der Geisterbahn
Der Mythos von „Geisterbahn“ beginnt auf einem Berliner Schrotthof im Herbst 2019, begonnen hat das Konzept Die Buben im Pelz natürlich schon viel früher. Von FM4 und der Neigungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune über Scarabeusdream, Destroyed but Not Defeated bis hin zu Liger kollaborierten die sechs Wiener Christian Fuchs, David Pfister, Christof Baumgartner, Markus Reiter, Gernot Scheitbauer und Bernd Supper schon in den verschiedensten Konstellationen und kreisen als Buben im Pelz um eine düstere, verrockte und nicht zuletzt humorvolle Annäherung an das Wiener Lied im 21. Jahrhundert.
Auf dem Debütalbum 2015 transferieren sie noch in Neigungsgruppen-Manier Indie-Klassiker ins Wienerische, auf „Katzenfestung“ bringen sie uns 2017 Songs zum Status Quo der düsteren Gesellschaftsaussichten und tatsächlich auch über Katzen, eine natürliche Symbiose, quasi.
Einsame Gammler
Die „Geisterbahn“ ist nun Doom und Noise in Eigenkomposition (mit Ausnahme zweier Covers von Ton, Steine Scherben und DEM italienischen Partisanenlied „Ciao Bella Ciao“), ist Schrottplatz-Disko im Morgengrauen, wenn noch alles dunkel aber auch noch alles irgendwie lustig ist. Als komplett analoge Produktion bringt „Geisterbahn“ nicht nur den Sound der Vergangenheit mit, sondern auch eine Stimmung von früher Vorahnung auf einen Zusammenbruch. Dass das Album 2019 aufgenommen wurde, zeugt von einer gewissen Vorahnung, sei sie real oder eine Self-fulfilling Prophecy: Gerade für die österreichische geschundene Seele bieten die Buben im Pelz gerade soviel Balsam, wie sie verträgt, ohne gleich wieder grantig zu werden, weil man den ganzen Komfort ja eigentlich gar nicht haben wollte.
Produzent Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten und Berlin stehen quasi Paten für die „Geisterbahn“, durch die die Buben im Pelz nach der Sperrstunde mäandern, was das Thema des Kollaps nicht besser unterstreichen könnte. Immer in der Optik von DIA-Fotos und MySpace-Seiten, damals, als man sich die noch selbst bauen konnte. Die gute alte Zeit ging den Bach runter aber immerhin ist man in der düsteren neuen Zeit mit den Buben im Pelz beim Einsam-sein nicht alleine.
Die Reise durch die „Geisterbahn“ lässt einen leicht zerschmettert und auch romantisch berührt zurück. Ist doch auch irgendwie schön, sich mit den Buben im Pelz den Niedergang anzuschauen und vielleicht den Sound eines neuen Urknalls zu hören. Schlussendlich ist das Kaputtmachen dessen, was einen kaputtmacht, ja doch eine schöne Sache.
Sowas kann man aber – seien wir uns ehrlich – auch nur in Österreich bringen: Alle hören „Geisterbahn“ und jubeln vor melancholischem Vergnügen.
„Geisterbahn“ von Die Buben im Pelz ist am 14. Mai 2021 bei Noise Appeal Records erschienen.
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