Hörenswert: Ekiti Sound – „Abeg No Vex“
Ganz böse, rau und ungemein kraftvoll erklingt diese wunderbar verspielte Elektronik-Produktion, die direkt aus dem elektronischen Herzen von Lagos zu kommen scheint. Und auch wenn Mastermind und Produzent Leke (aka CHiF) lange auch die urbanen Londoner Clubsounds in sich aufgesogen hat, ist ihm mit Ekiti Sound doch etwas ganz originäres und erfrischend Neues gelungen, das beide Städte erneut miteinander verbindet.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 10.05.19 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 16.05.19 ab 00:00 Uhr.
Leke musste sich wohl nicht besonders anstrengen, die beiden musikalischen Welten zwischen London und Lagos miteinander verschmelzen zu lassen. Denn er selbst pendelte in seiner Kindheit und Jugend zwischen den beiden weit entfernten Hauptstädten und ist somit ein Kind beider Kulturen. Auf der Suche nach Identität, bedient Leke aber nicht die fast übermächtige Tradition des Afrobeat, die zwar ebenfalls eine Symbiose zwischen westlichem Funk und afrikanischer Rhythmik darstellt.
Auch wenn es sich natürlich anbieten würde, braucht die Schublade ‚Afrobeat‘ hier erst gar nicht geöffnet werden. Denn auch, wenn seit dem großen Fela Kuti und Tony Allen die historische Verbindung von Lagos und London musikalisch bereits in den Sechziger- und Siebziger Jahren gelegt worden ist, hat Ekiti Sound wohl genau so viel mit Childish Gambino, BLNRB oder Damon Albarn gemeinsam wie mit eben jenen Begründern des nigerianischen Afrobeat. Vielmehr wird auf „Abeg No Vex“ diese sich durchaus gegenseitig befruchtende Beziehung auf einer ganz anderen musikalischen Ebene bereichert. Natürlich gehört der Afrobeat für immer zu dem großen musikalischen Erbe Nigerias, an dem nicht vorbei zu kommen ist. Aber Leke macht halt sein eigenes Ding daraus, und verleiht beiden Kulturen, die ihm inne wohnen, musikalisch Ausdruck. Folglich spielen Drum&Bass, House oder Hip-Hop auf „Abeg No Vex“ eben eine mindestens genauso große Rolle wie der Afrobeat. Und Tony Allen klingt halt nach Tony Allen. Auch wenn er auf Elektronik trifft, wie auf “Tomorrow comes the harvest“. Hier wird sehr schön deutlich, wie unterschiedlich diese beiden Ansätze klingen.
“The album is the soundtrack to the new diaspora” Leke
Trotz der vertrauten Club-Sound Einflüsse wirkt Ekiti Sound vorerst vielleicht etwas verstörend aufgrund der verwegenen Mischung, zumal die Vokalisten fleißig zwischen Yoruba, pidgin, und Englisch wechseln. Zudem sind die Beats mitunter sehr dicht und arbeiten wohl auch bewusst mit den Formen der Reizüberflutung. Das alles lässt einen nur selten zum Luft holen kommen. Doch „Abeg No Vex“ ist eines von den Alben, die immer besser werden je öfter man sie hört, und erst nach und nach ist die ganz eigene Ordnung dieser Musik erkennbar, die zunächst sehr experimentell anmutet.
Natürlich leben wir inzwischen in dem viel zitierten globalen Dorf, das scheinbar immer weniger Raum zu andersartiger Entfaltung lässt und die Gefahr einer alles umfassende Nivellierung in sich birgt. Doch dank solch großartiger Musiker wie Leke entstehen auch faszinierende neue Ausdrucksformen, die nicht glatt gebügelt sind, Ecken und Kanten haben und den Spirit zweier Welten in sich tragen.
Wer nach neuen tanzbaren urbanen Sounds sucht, auf Elektronik oder Hip-Hop steht und dabei etwas Abenteuerlust in sich trägt, dem sei dieses Album wärmstens empfohlen.
„Abeg No Vex“ ist am 26. April 2019 auf Crammed erschienen.
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