Hörenswert: James Yorkston & The Second Hand Orchestra: „The Wide, Wide River“
Balsam für die Seele, post-pandemische Gelassenheit aus den sich glättenden Wellen der Zeit.
Und das mit einem schwedischen Orchester, what could possibly go wrong? James Yorkston & The Second Hand Orchestra hüllen uns auf „The Wide, Wide River“ in Nostalgie und Wärme und lassen uns voraussehen, wie gut die Zeiten mal gewesen sind. Und uns daran erinnern, wie gut sie wieder sein werden.
Hörenswert. RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 19.02.21 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 25.02.21 ab 00:00 Uhr
Ein schottischer Musiker, der nebenbei noch Gedichte schreibt und mit Suhail Yusuf Khan und Jon Thorne Alben an den Schnittstellen zwischen hinduistischer Folklore und ziemlich mittelalterlichem Nostalgie-Folk aufnimmt. Und ein schwedisches Indie-Orchester, das behauptet, eigentlich keine Instrumente spielen zu können. Seems like a match.
Aus der langjährigen Freundschaft zwischen James Yorkston und Karl-Jonas Winqvis, dem Chef des Second Hand Orchestras – dem übrigens auch Peter Morén von Peter, Björn & John angehört – erwuchs „The Wide, Wide River“ mit einer ungezwungenen Leichtigkeit und voll narrativer Kleinkunst-Geschichten, die sich am Ufer des weiten Flusses eben so abspielen. Und gemeinsam schippert die Truppe übers Wasser.
Choices, like wide rivers.
Es ist bereits das 10. Album von Yorkston, das bei Domino Records erscheint und wurde in nur 3 Tagen aufgenommen. Der Eindruck verstärkt sich, dass sich hier einfach ein paar Freunde einfach mal so zufällig zusammensetzt und dann für eine Albumlänge die zufälligen Gäste dieses Schauspiels in ihren Bann zieht. Ein kleines Stück Intimität in diesen doch zu kalten und distanzierten Tagen. „The Wide, Wide River“ sieht den Wellen beim Tanzen zu, porträtiert die Szenen, die sich an seinen Ufern abspielen, mit der Leichtigkeit der Sommertage im ländlichen Hinterland.
Do you believe your elders now?
„Ella Mary Leather“ klingt nicht nur phonetisch wunderbar sondern wird auch dem Storytelling des sprechenden Namens gerecht: Stark an die Schulter von The Beatles‘ „Eleanor Rigby“ angelehnt eröffnet es mit poetische Schönheit und melancholischen Erinnerungen. Mit einer orchestralen Epik erzählt und begleitet von der Geschwindigkeit abspulender Filmbänder im Kino durch das unnachgiebige Piano. „To Soothe Her Wee Bit Sorrows“ leitet dann die Zeit der Entfaltung ein, die Songs lassen sich Zeit zum Kennenlernen, und geben genügend Raum, sich die Szenerie anzusehen.
„Struggle“, „There Is No Upside“ und „“A Droplet Forms“ hüllen uns in das langsam aufglimmende, explorative Gefühl, weich und beharrlich, wie es nur von Yorkston zu erwarten ist. Stimmung so emotionstief und mitreißend, eine übergeordnete Bewegung aller kleinen, fliegenden Teile dieser wundersamen Belegschaft des Bootes am weiten, weiten Fluss.
„The Wide, Wide River“ ist herkunftsgeprägt folkig, im Pathos altenglischer Sommertage und mit der für Yorkston vertrauten melancholischen und rustikalen Anleihen in entwaffnender Direktheit. Die Geschichten von einsamen Heldenreisen und gemeinsamen Expeditionen, die Yorkston erzählt, werden vom Second Hand Orchester aufgelesen, sachte in Schwung gebraucht, hochgeschaukelt und schließlich befreit gen Himmel geschickt. Oder wieder sanft zurückgeholt, um sie noch einmal in den Strom eintauchen zu lassen.
„The Wide, Wide River“ lässt sich an bessere Zeiten erinnern. Und lässt daraus Kraft schöpfen. Allen schlechten Zeiten zum Trotz und dem Schicksal zum Beweis.
„The Wide, Wide River“ von James Yorkston & The Second Hand Orchestra ist am 21. Jänner 2021 bei Domino / GoodToGo Records erschienen.
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