Hörenswert: Lettuce – „Elevate“
Diese sechs Herren aus den USA scheinen in der Tat von Dr. Funkenstein geklont worden zu sein.
Mit dem Funk im Herzen und diversen anderen Spielarten im Kopf produzieren Lettuce ein megafettes Gemisch, das phasenweise an die US-amerikanische Funk-Avantgarde der frühen Achtziger Jahre erinnert. „Elevate“ ist das siebte Studioalbum der Edelformation und zugleich das erste, das auch in Europa veröffentlicht wird.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 31.05.19 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 06.06.19 ab 00:00 Uhr.
Übermächtig war das Erbe der Siebziger Jahre. Viel konnte nach dem legendären Konzert von Parliament 1978 in Houston auch nicht hinzugefügt werden, als das Mothership landete und uns den P-Funk brachte (unvergesslich natürlich der großartige Gitarrist Eddie Hazel in Windeln und mit Schnuller). Irgendwie schien das der absolute Höhepunkt des P-Funk gewesen zu sein. Und überhaupt gab es nach der Funk-Avantgarde der frühen Achtziger Jahre, zu der natürlich der frühe Prince, James White oder Prince Charles angehörten, kaum neue Einflüsse. Doch der P-Funk überlebte als Dauergast im Hip-Hop eines Dr. Dre und als billiger Nippes im Mainstream weiter. Im Zuge des Funk-Revivals landete sogar Bruno Mars 2014 mit „Uptown Funk“, einer Nummer klassischer Prägung, einen Number-One-Hit.
Lettuce ist nun endlich die langersehnte Formation, die sowohl das Attribut ‚avantgardistisch‘, als auch die Bezeichnung ‚Band‘ verdient. Der Legende nach trafen sich Lettuce als Teenies im Ferienlager. In den mittlerweile 20 Jahren ihres Bestehens wurden die Bühnen immer größer, die Auszeichnungen immer mehr (fast allesamt sind Grammy-Preisträger) und die Liste der Studioeinspielungen für die Creme-de-la-Creme des Musik-Business so lang, dass diese hier den Rahmen sprengen würde. Somit handelt es sich bei Lettuce um eine verschworene und fantastisch zusammenspielende Band, die uns mit ihren unglaublich fetten und dichten Grooves an die Wand spielt.
Gerade die Instrumental-Nummern verfolgen dabei einen orchestral-progressiven Ansatz, bei denen die Einflüsse von elektronischer Kunstmusik, Jazz, Hip-Hop, Art-Rock, Dub, aber auch GoGo deutlich hervor treten. Das sind auch die absoluten Knaller des Albums, denen Russell Elevado himself einen fantastischen Sound gegeben hat. Mit enormer Eleganz, guten dramaturgischen Bögen und Raffinesse bleibt es immer purer unverwaschener Funk, der direkt ins Blut geht. Als Gaststar haben Lettuce den Soul-Sänger Marcus King Marcus King eingeladen, wahrscheinlich um zu viele Instrumentalnummern zu vermeiden (von der Kritik gefeiert wurde völlig unverständlich die Coverversion des Tears for Fears-Klassikers „Everybody Wants to Rule the World“, der für mich zu den ganz wenigen Ausfällen auf „Elevate“ zählt ). Allerdings wird es dann auch sehr schnell schnulzig.
Insgesamt ein großartiges und homogenes Funk-Album, das Lust auf mehr macht. Zu entdecken gibt es ja in Europa zum Glück noch die anderen sechs Alben, die natürlich als teures Importgut oder virtuell im Netz zu finden sind.
Was für ein Salat!
Personel
- Adam Deitch – drums, percussion
- Adam „Shmeeans“ Smirnoff – guitar
- Erick „Jesus“ Coomes – bass
- Nigel Hall – vocal, Hammond B3, Rhodes, clavinet, keyboards
- Ryan Zoidis – alto, baritone & tenor sax, Korg X-911
- Eric „Benny“ Bloom – trumpet, horns
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