Hörenswert: Lord Kesseli & the Drums
Electric Doom aus der Schweiz mit Anleihen aus der philosophischen Tiefenpsychologie. Und selbst das scheint als Einordnung zu eng. Lord Kesseli & the Drums kreisen auf ihrem zweiten Album „Melodies of Immortality“ um die zeitliche wie räumliche Begrenztheit unserer Selbst und halten gleichzeitig die Ewigkeit fest. Zwischen Trauer und Euphorie, Märchen und Dystopie.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 18.01.19 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 24.01.19 ab 00:00 Uhr.
Hail to the Lord. Hail to the Drums.
Dominik Kesseli und Michael Gallusser fehlt es weder an der cineastischen Dramaturgie für ihre Songs, noch an dem Talent, eine vielseitige Daseinsart mit kleinteiligen Bausteinen aufzutürmen und fast eine gesamte Evolutionsstufe in knappen 45 Minuten auf den Punkt zu bringen. Der Sound, der am Rande des Bewusstseins so richtig in die Hirnrinde tritt. Zwei Jahre nach dem selbstbetitelten Debütalbum 2016 tauchen Lord Kesseli & the Drums noch tiefer ein in ihre eigenwillige slow motion club music und dessen synthetisches Inneres. Verlorene Seelen, gebrochene Herzen, chemische Experimente und unsterbliche Roboter in einer absurden Welt, die genau vor der unsrigen schwebt. Nur ein kleiner Blick hinüber, durch die Augen des Lords …
Futurismus und SciFi-Wahnvorstellungen.
Immer mit Blick auf die weit entfernte weltliche Gesellschaft, vielleicht absichtlich so weit entfernt, weil die Angst vor zu viel Nähe, vor zu viel Verbindung, vor zu viel Vereinnahmung zu groß ist. In schwarzem Samt gehüllt lauscht du also den unendlichen, kunstvoll geformten Soundlandschaften, durch die die Geschichten ziehen. Irgendwo zwischen Archive und David Lynch. Losgelöst von Wirklichkeit, in einem Schleier aus Staub, und dennoch oder gerade deswegen furchterregend real. Lord Kesseli & the Drums machen Musik, die erschreckend nahe geht. Die düster aber vorsichtig, erzählerisch aber doch wirklich Dimensionen öffnet, in deren Ecken sich neue Anfänge verbergen, aber auch das Aufbäumen von Klageliedern.
Wizard, wizard on the moon.
‚Melodies of Immoratlity‘ dreht sich um das Gitarrenriff, das wie ein Mantra rotiert und immer mehr in ein dystopischen Märchen implodiert. ‚Wizard‚ hält sich in Sigur-Rós-Manier myrisch, klagend und mit schaurig-schönen goosebumps. Siehst du die aufziehende Stürme der digitalen Wahrheit? Das ist der Song, der dich nach seinem Ende noch Minuten im Stillen sitzen lässt. Der dem philosophischen Konstrukt der Selbstfindung wohl sehr nahe kommt. Der, wegen dem du auf Repeat drückst. ‚Chemical Mother‚ verzerrt anschließend die Gitarren und lässt die Synths hallen, zwischen die wütenden Drums schleicht sich verletzlich die Stimme von Lord Kesseli und macht die Verfremdung und Andersartigkeit fast spürbar werden.
Ein wahnsinniges Album. Genug Wahnsinn für die unsrige jetzige Agonie.
„Melodies of Immortality“ von Lord Kesseli & the Drums ist am 23. November 2018 bei Bookmaker Records / Irascible Records erschienen.
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