Hörenswert: Lorenz Raab Liwanzen – „60 Minutes“
Der mehrfach preisgekrönte Ausnahmetrompeter bildet mit diesem Septett einen Klangkörper, der sich alle Freiheiten der Entfaltung schafft und dabei eine bewundernswerte dramaturgische Ausgewogenheit zwischen Komposition und Improvisation erreicht. Gekonnt lässt die Formation in diesem 60minütigen, fließenden Live-Mitschnitt die Komposition erscheinen, um sie danach wieder in einer Klangwolke verschwinden zu lassen.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 21.10.16 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 27.10.16 ab 00:00 Uhr.
Zweifelsohne ist Lorenz Raab eines der Aushängeschilder der österreichischen Jazzszene. Den 1975 in Rainbach geborenen Musiker auf Jazz zu reduzieren wäre aber unangemessen. Vielmehr wäre es richtiger, ihn als Alleskönner zu bezeichnen. Denn schließlich hat dieser seit acht Jahren ein Fixengagement als Solotrompeter an der Wiener Volksoper. Eine Tätigkeit, die Raab natürlich auch ein geregeltes Einkommen und auch so manch andere Freiheit beschert:
„Andere Jazzmusiker haben auch ein Zusatzeinkommen durchs Unterrichten. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich dank der Volksoper extrem flexibel und frei bin. Ich kann es mir einteilen, wann ich eine Tournee mache. Das wäre beim Unterrichten schwieriger. Ich habe ja auch drei Kinder, deshalb ist der fixe Job total essenziell für mich.“
Lorenz Raab – Klassik, Jazz, Blasmusik
All diese Spielarten machen Raab zu dem vielseitigen Musiker, der immer gewillt ist neue Wege zu beschreiten. Natürlich ist es für kaum einen Musiker heutzutage möglich, allein von seinem Schaffen zu leben. Viel zu groß sind dazu die ökonomischen Zwänge. Die Gagen werden weniger, Spielorte verschwinden, Live-Musik wird zu teuer für Gastronomen. Vielleicht spiegelt sich die Freiheit, die Raab durch sein Engagement an der Wiener Volksoper genießt, auch in seiner eigenen Musik wieder:
„60 Minutes“ ist ein ebenso langer Live-Mitschnitt aus der 135. Freistunde, bei dem alle vier Nummern durch Improvisation miteinander verbunden werden. Mit erstaunlicher Zielsicherheit steuert die Formation im freien Spiel dabei die Nächste Nummer an. Somit entsteht der Eindruck, als ob die Kompositionen zuerst recht unscharf wie aus einer Klangwolke auftauchen und danach in dieser auch wieder verschwinden. Interaktion ist hier als gestaltendes Prinzip allgegenwärtig. Trotz aller Dialoghaftigkeit bewegt sich die Formation sowohl im freien Spiel wie auch innerhalb der fixen Gerüste stets gemeinsam. Durch dieses ‚Setting‘ ergibt sich ein fantastisch dahinfließendes Geflecht, das sein Ende erst beim letzten Ton erreicht hat.
Ganz stark ist bei „60 Minutes“ aber die Balance zwischen Energetischem und Sphärischem, zwischen Komposition und Improvisation, zwischen Expressivem und Chilligem, zwischen Groove und Sound, und auch zwischen Elektrischem und Akustischem: Denn neben Trompete, Posaune, Akkordeon, Vibraphon, Kontrabass und Schlagzeug befinden sich gleich zwei Keyboards und ein Instrument namens Seaboard in der Besetzung. Letzteres ist eine Art Keyboard, das aber eine Vielzahl von zusätzlichen Spielmöglichkeiten wie Vibrato, Sliding etc. zulässt.
Auch wenn es Jazz ist, und selbst wenn es sich hier streckenweise um Free-Jazz handelt, bleibt die Musik doch eher leicht zugänglich und ist doch von Unterhaltungsmusik meilenweit entfernt. Ein wunderbar schwebendes, fließendes Live-Album von einem Trompeter, der völlig zu Recht ein so großes Renommee besitzt.
Besetzung:
- Lorenz Raab – Trompete
- Alois Eberl – Posaune/ Akkordeon
- Florian Klinger – Vibraphon
- Philipp Nykrin – Keyboard & SEABOARD
- Simon Raab – Keyboard
- Oliver Steger – Kontrabass
- Rainer Deixler – Schlagzeug
Das Album ist 2015 auf Freifeld erschienen.
Danke Niko Fuchs !!!