Hörenswert: Piers Faccini – “Shapes of the Fall”
Seit zwei Jahrzehnten säuselt sich der Barde mit dem sanftem Flüsterton nun durch die Folk-Welt. Sein siebentes Studioalbum ist zusammen mit dem algerischen Meisterschlagzeuger Karim Ziad und seinem Bruder Malik an der Percussion entstanden. In gewohnt spärlicher Orchestrierung und mit fein gesponnenen Melodien singt Faccini fast erzählerisch von den großen Themen: der Liebe, dem Leben und dem Tod.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 30.04.21 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 05.05.21 ab 00:00 Uhr.
Als Sohn eines Italieners und einer Britin mit polnisch-, deutsch- und russisch-jüdischen Vorfahren ist Faccini in London geboren, aber in Frankreich aufgewachsen und nun auch ansässig. Faccini, so scheint es, findet mit spielerischer Leichtigkeit Schnittmengen mit jeglicher Art von Bardentum aus anderen Kulturen und musizierte bereits mit Ballaké Sissoko, Ibrahim Maalouf oder Dom La Nena. Dabei fügte sich die Musik fast wie durch Zauberhand zu etwas zusammen, was Faccinis verträumt-erzählerischem Musikkonzept entspricht, aber eine andere Ebene entstehen ließ.
Nun also die Zusammenarbeit mit Karim Ziad, dem gefragten Schlagzeuger in Sachen “Global Sounds”. Dieser arrangierte Faccini rhythmische Grundstrukturen, die in ihrer perkussiven Schlichtheit den Fokus auf der Stimme lassen. Zusammen mit Abdelkabir Merchane zaubert das Projekt sanft-betörende Musik, die einen großen Bogen zwischen Maghreb und amerikanischem Folk spannt. Um auch die Vierteltöne der arabischen Musik spielen zu können ließ sich Faccini eigens eine dem entsprechend adaptierte Gitarre bauen. Dass auch Ben Harper auf “Shapes of the Fall” als Gaststar zu finden ist, ist zwar bemerkenswert, überrascht aber nicht wirklich, zumal die beiden bereits zuvor kollaboriert haben. Harper und Faccini scheinen doch irgendwie musikalische Seelenverwandte zu sein: “All Aboard” ist eine schräge Mischung aus Südstaaten-Folk und Gnawa-Trance, die uns im Untergang auf Faccinis Arche einlädt.
Wie alle Alben von Faccini lebt die Musik von der Spannung zwischen vordergründiger Fragilität und dem tiefgründig-melancholischen Ausdruck, der den Liedern innewohnt. Doch auch “Shapes of the Fall” schafft es immer wieder in sanft-einschmeichelnder Manier kleine energetische Höhepunkte zu erzeugen, die dramaturgisch von enormer Bedeutung sind. Immer präsent ist das Thema des Untergangs und der möglichen Rettung. Die Doppeldeutigkeit des Albumtitels unterstreicht dabei die Botschaft, die Faccini uns bringt.
Man muss schon ein echter Fan sein, ein verträumter Schmusetyp oder in der Jugend für diese Art von Barden geschwärmt haben, um von Faccinis Musik durchweg begeistert zu sein. Doch “Shapes of the Fall” hat ein paar ganz starke Lieder auf Lager, die fantastische Stimmung erzeugen. Innehalten, abschalten, träumen. Und wenns zu schmusig wird: skippen.
“Shapes of the Fall” ist am 2. April 2021 auf No Format! erschienen.
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