Hörenswert: PJ Harvey – „Let England Shake“
Mit ihrem neuen Album „Let England Shake“ besingt PJ Harvey ihre Heimat mit inbrünstigen Gefühlen – allerdings mit Zorn, Melancholie und Wehmut. Denn trotz der scheinbaren Leichtigkeit einiger Songs hat Polly Jean ein Album der Düsternis und des Ausbruchs erschaffen. Ein Kampf mit sich selbst und dem Land, in dem ihre Wurzeln liegen. Sie will England wachrütteln – Let It Shake..
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 18.02.11 ab 14:08 Uhr, Wh. am Donnerstag, 24.02.11 ab 00:00 Uhr.
Aufgenommen wurde das neue Werk in einer alten Kirche aus dem neunzehnten Jahrhundert in Dorset, im Südwesten Englands. Aber Kirchenmusik darf man deshalb nicht erwarten. Denn PJ Harvey hat mit „Let England Shake“ ein dunkles, fast niedergeschlagenes Album geschaffen – und trotzdem bleibt noch die Vorstellung von Hoffnung, das Gefühl des Aufbruchs erhalten. Altmodisch anmutende Folklore und fast schwebende Arrangements treffen auf gebrochenen Patriotismus und Stacheldrahtzaun, wie etwa beim klagenden „In The Dark Places“, bei dem aber durch den hymnenhaften Refrain noch etwas Hoffnung auf Besserung durchscheint. Und im Gospel-Reggae-lastigen „Written On The Forehead“ lässt sich der Wille zur Versöhnung und stille Fröhlichkeit erahnen – während sie „Blood and Fire“ von Niney The Observer zwischen die Zeilen schmiedet.
Waren die Vorgänger „White Chalk“ (2007) und „A Woman A Man Walked By“ (2009) noch dominiert von Elementen aus Blues und melancholischer Psyche, Rock und emotionaler Irrwege, ist „Let England Shake“ umhüllt von Drama und Trauer, von Romantik und der Hoffnung, noch nicht ganz verloren zu sein. Der Kampfgeist bleibt, aber er rankt sich aber nun subtiler, dafür umso intensiver um die zarten Songgerüste. Denn Polly Jean weiß sich immer noch zu steigern..
In „The Glorious Land“ wird das Drama schließlich deutlich. Es ist ein Krieg, die Hoffnung auf (Seelen)Frieden schwindet. „I live and die through England“ / „England’s dancing days are done“ / „Until […] by the shores heavy stones are falling“. So zeichnet PJ Harvey den Weg des Verfalls, der Ziel- und Tatenlosigkeit. Die Waldhörner im Hintergrund klingen verloren und hoffnungslos, der Krieg ist verloren. Nebel überzieht die Szenerie und Polly Jean sitzt am Rande des Schlachtfeldes und beginnt ihr Klagelied.
PJ Harvey gerät mit „Let England Shake“ mit dem Spaten gefährlich nahe an die Wurzeln ihrer selbst. Ihr England ist verregnet, grau und trostlos, Apathie und Verzweiflung scheinen vorzuherrschen; Und genauso ist die Platte geprägt von inhaltlicher Grausamkeit und doch von musikalischer Schönheit. „Let England Shake“ ist kein optimistisches oder positives Album. PJ Harvey fordert viel und gibt auch viel preis, über die Beziehung zu ihrer Heimat. Die Gefühle und Erinnerungen werden auf dem Friedhof der Vergangenheit begraben, aber der Kampf wird weitergehen – ohne dass die Güte des Aufschreis auch nur eine Sekunde zu leiden hat..
„Let England Shake“ von PJ Harvey ist am 11.02.2011 bei Island Records erschienen.
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