Hörenswert: PJ Harvey – „The Hope Six Demolition Project“
Freitag, 22. April 2016 ab 14:08 Uhr: Sie wird nicht müde, sie wird nicht leise, sie wird nur noch unheimlich schöner. Musik aus der Feder von PJ Harvey, die uns mit „The Hope Six Demolition Project“ endlich mit einem neuen Album wieder in ihre düsterschöne nebelüberzogene Zwischenwelt mitnimmt. Gehörgefühlt. Mit der Ziege und dem zweiköpfige Hund als Wappentier reitet Polly Jean 5 Jahre nach „Let England Shake“ wieder in die Schlacht, diesmal allerdings gegen – nun ja, dem misslungene Prinzip Hoffnung.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 22.04.16 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 28.04.16 ab 00:00 Uhr.
Hope Six
Bezug nimmt PJ Harvey diesmal auf das HOPE VI Projekt in den USA, durch das Sozialwohnungen revitalisiert wurden und Gegenden mit hoher Kriminalität zwar wieder bewohnbar gemacht wurden, allerdings zu Preisen die sich nur Besserverdiener leisten konnten und mit der Konsequenz, dass viele dieser Wohnungen der Abrissbirne zum Opfer fielen.
Das Album entstand, ebenso wie das Buch “The Hollow of the Hand“, das 2015 erschien, während PJ Harveys Reise durch den Kosovo, Afghanistan und Washington D.C. zwischen 2011 und 2014. Der Filmemacher Seamus Murphy begleitete sie dabei und trug auch mit den Aufnahmen zum Video zu „The Wheel“ bei.
Auf den Spuren weltlichen Unrechts und menschlichem Versagen
Auf „Let England Shake“ wandte sich Harvey gegen den Krieg. Krieg herrscht noch immer, vielleicht sogar mehr als 2011, Frieden wünscht sie sich aber immer noch. Mehr denn je, und mehr denn je nimmt sie die Rolle der politischen Folk-Rockerin an, die mit geradezu epischer Musik anklagt und anprangert. Das neue Album klingt weniger sperrig, wenn auch nicht weniger geordnet als die Vorgänger, es ist klar und definiert, von der Zerbrechlichkeit der Musik davor ist nicht mehr viel übrig. Fragilität, ja, aber die Bestimmtheit ihrer Stimme überwiegt, sie erstarkt, sie will bewegen. „A Line In The Sand“ tut das, Schlagwerk treibt uns voran, Klarinette gibt den Takt dazu an: ‚what we did / why we did / I make no excuse / I believe we have a future / to do something good’.
Auch Mick Harvey ist wieder gesanglich vertreten, ebenso die alten Weggefährten wie John Parish, Flood und Terry Edwards sind wieder dabei und erschaffen die für PJ Harvey bereits fast typische düster-dramatische Szenerie, das musikalische Äquivalent des Schlachtfeldes.
She is marching, too.
Vorbei an den Gedenkstätten von Vietnam und Abraham Lincoln. Auf sich immerdrehenden Rädern.„The Wheel“ – auch die Räder der Kriegsmaschinerie stehen nicht still, drehen sich angesichts der gesellschaftlichen und Politischen Taten- und Ratlosigkeit nur umso schneller. Menschen müssen flüchten, Kinder verschwinden, ‚hey little children, don’t disappear / I heard it was 28.000 / all that’s left after a year / a faded face, the trace of an ear’. 2011 war „Let England Shake“ die Abrechnung mit ihrer Heimat und deren blutige Geschichte. „The Hope Six Demolition Project“ ist die Abrechnung mit der blutigen Geschichte, die genau in diesem Moment geschrieben wird.
Die Musik klingt nach dem Sieg einer Schlacht. Der Krieg hat aber gerade erst begonnen.
„The Hope Six Demolition Project“ von PJ Harvey ist am 15. April 2016 bei Island records erschienen.
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