Hörenswert: Shawn Lee’s GPS Band – “Lost”

Nach über 14 Jahren findet der Weltenbummler Shawn Lee dank GPS zurück zur Radiofabrik.
Das tut er mit einer No Wave-Punk-Funk Attitüde, wie sie Anfang der Achtziger in der Lower East Side von New York City angesagt war. Was vordergründig stark an James Chance erinnert, ist tatsächlich nichts anderes als eine Hommage, der das Avantgardistische abhandengekommen ist. Dafür sind hier alle richtig, denen ‘No Wave’ schon immer zu sperrig war.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 11.04.2025 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 17.04.25 ab 00:00 Uhr.
Die Nummer “Lost in Paris” startet nur mit Schlagzeug im Achtziger Jahre Sounddesign. Auf diesen Disco-Beat trifft ein ganz klarer und super-straighter Basslauf. Neben einer Single-Note Gitarrenbegleitung, einer Orgel und ein paar Space Sounds bekommen wir nur noch ein recht freies, quietschendes Saxophon-Solo. Und schon ist die Nummer fertig. Gerade dieser Purismus gepaart mit einer kühlen, fast maschinellen Klarheit wirkt äußerst subversiv und trägt den Funken der Post-Achtziger-Avantgarde in sich.
1979 veröffentlichten James White and the Blacks ihr Album “off white”. Darauf findet sich mit “Control Yourself” die Vorlage für “Lost in Paris” samt quietschendem Saxophon-Solo. Zwar scheint “Lost in Paris” an der Plagiat-Polizei vorbei gekommen zu sein, doch das gesamte Erscheinungsbild macht “Lost in Paris” zu einer Hommage an James White (aka Chance).
Der Geist der frühen Achtziger.

Der Rest ist schnell erzählt. Alle zehn Nummern auf “Lost” sind mit „Lost in…” betitelt, an die jeweils eine Weltmetropole angehängt ist. Aber auch Aufbau und Machart der Tracks unterscheiden sich kaum vom obigen Beispiel. Dabei geht Shawn Lee ungemein stilsicher vor und schafft es so, den Geist der frühen Achtziger mit in die Aufnahmen zu schicken. Dabei entfaltet der fortwährende Post-Disco-Sound seine Wirkung, was immerwährendes Kopfnicken zur Folge hat.
Shawn Lee schickt uns hier auf Weltreise durch die großen Metropolen und baut in jedem Stück die Stimme des NAVIs ein, das ihn selbst einmal durch diese Städte geleitet hat. Bis auf diese Sprachfetzen ist “Lost” ein reines Instrumental-Album, das viel Spaß macht und kaum Tiefen besitzt.
No Wave. Das Antonym von Nivellierung.
No Wave. Das war der unglaublich kurzlebige Versuch, sich gegen die absolute (Eigen-) Kontrolle und die permanente Beeinflussung durch Konventionen aufzulehnen. Das galt auch für die Lebenseinstellung, in der der Mensch und seine Eigenheiten im Vordergrund des künstlerischen Schaffens standen. Sozusagen das Antonym von Nivellierung. Dementsprechend sollte No Wave eine Musikrichtung sein, die sich gar nichts als Vorbild nehmen wollte. Ein schwieriges Unterfangen. Den Höhepunkt hatte die Bewegung wohl mit Brian Enos produziertem Sampler “No New York” von 1978.
So wild und verwegen wie bei James Chance klingt “Lost” längst nicht. Und auch Titel wie “Christmas with Satan” oder „White Devil” mit ihren abgründigen Texten sind in diesem Kontext fast unvorstellbar. Dafür ist “Lost” natürlich viel leichter zu konsumieren und nicht so verstörend wie die Originale, ohne aber den Spirit der Achtziger ganz verloren zu haben.
„Lost“ ist am 28. März 2025 auf Légère erschienen.
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