Hörenswert: Studio Bonaparte – „From The Archives #002 – The Kumasi Sessions“

Highlife und Easy Going in Bärndütsch und afrikanischen Rhythmen: „From The Archives #002 – The Kumasi Sessions“ ist die neue, neugierige Arbeitssituation von Studio Bonaparte, das reduzierte Alter Ego von Tobias Jundt, also known as Bonaparte.
Neues zu versuchen ohne geringerer Wertschätzung für das Alte mündet in einen Sound, der nah an Bonapartes Musik der 2010er Jahre chargiert und dabei musikalische Feldforschung betreibt.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 12.12.2025 ab 14:06 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 18.12.25 ab 00:00 Uhr.
When they go low, we go highlife
„From The Archives“ klingt nach Archivfunden oder historischen Bändern, tatsächlich aber ist das Material frisch: „Archiv“ meint hier eher Jundts persönliche Sammlung, Erfahrungen, Reisewege, musikalische Bezugspunkte. Schon bei „Was Mir Passiert“ (2019), aufgenommen in Abidjan an der Elfenbeinküste, zeichnete sich dieser Weg ab. „The Kumasi Sessions“ vertieft ihn und führt zurück zur eigenen Herkunft ohne Nostalgie. Die Referenz an die Platten seines Vaters – „Werner Jundt – Berner Chansons 1967–1975“ – taucht nicht als Sentimentalität auf, sondern als Hintergrundwissen.
guete morge, mi nachbar – hüt isch e bessere tag
Kumasi in Ghana ist die Hauptstadt des Ashanti-Königreichs unter Osei Tutu II. und war einst als Stadt der Gärten bekannt. Aber Kumasi hat noch einen weiteren Titel, den es sich durch Rhythmus verdient hat: Es ist das Königreich des Highlife, einem der Ursprünge des Afrobeats, das Elemente aus Jazz und Up-Tempo-Beat mit der Verwendung von mehreren Gitarren verbindet und ein Verschmelzungsprodukt zwischen den traditionellen Elementen der Musik Ghanas mit Musikinstrumenten aus Europa darstellt (schwer bekannt von u.a. dem frühen Fela Kuti).
In Kumasi ist Produzent und Schlagzeuger Max Weißenfeldt inzwischen fest verwurzelt. Er lädt Judt ein, einige Tage mit lokalen Musiker*innen zu jammen: „Tobias, komm mich in Kumasi besuchen, ich setze dich mit ein paar in mein Wohnzimmer und wir schauen mal, was passiert …“ Das Ergebnis ist eine unglaublich organische Session zwischen Highlife Sounds, der sehr persönlichen Sprache Judts, den Bärndütsch (Berndeutsch) als seine früheste sprachliche und musikalische Erinnerungen prägte. Im Prozess wird ausprobiert, verworfen, improvisiert, spontan entschieden und vor allem eine musikalische Reise angetreten.

she’s an optimistic nihilist, he’s an optimistic nihilist
Die Highlife-Tradition ist präsent, aber sie dominiert nicht. Die Gitarrenlinien von Ammanuel Amoako, die Rhythmusarbeit von Emmanuel Tetteh, TI und Adu Berks, dazu die Stimmen von Mama Esther, Felicitas Andoh und Nana Adwoa – all das ergibt einen Rahmen, in dem Jundt sich einfügt, ohne ihn nach europäischen Kriterien zu ordnen. Die Musik ist kein Hybrid-Pop oder Highlife-Hommage, sie ist eigenständig, logisch und ob der Kombination leicht schräg und unkonventionell aber zugleich immer perfekt harmonierend. Jundts Bärndütsch war eine pragmatische Entscheidung und eine intuitive Konsequenz, kein Stilmittel und kein patheztisch-dramatische Pointe. Die Texte sind direkt, fast beiläufig, mit sachlicher Distanz und fast einer Freistellung aller beteiligter Melodien und Ausdrucksmittel. Zurück in Berlin, wohin Jungt vor 20 Jahren auswanderte, ergänzt das Bonaparte-Team – Jason Liebert, Florian Menzel und Bastian Duncker – Bläser und Details, die Arrangements bleiben luftig und jammig und man hat fast den Eindruck, beim Jam nebenan zu sitzen und der realen räumlichen Situation in Echtzeit zu lauschen.
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Mehr Informationenam sunntig nach der chile si mir alli zum Max
ds studio isch ds wohnzimmer, recorde paar tracks
Nana, Esther, Feli singe zäme ds chörli
Jason, Flo, Bastilla, blase ihri hörnli
Spannend ist vor allem die Neutralität, mit der das Album seine kulturellen Begegnungen behandelt. Keine Überhöhung, kein „Fusion“-Marketing, keine Soundtourismus-Ästhetik. Es ist vielmehr ein dokumentierter Arbeitszustand. Manche Stücke wirken skizzenhaft, andere ausgefeilt; ein offener Prozess, der bewusst nicht perfektioniert wurde.
„The Kumasi Sessions“ ist ein ruhiges, konzentriertes Album. Eines, das zeigt, wie Musik entsteht, wenn man verschiedene Menschen in einen Raum setzt und ihnen erlaubt, gemeinsam herauszufinden, was möglich ist.
From The Archives #002 – The Kumasi Sessions“ ist am 31. Oktober 2025 bei Fun In The Church/Bertus erschienen.










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