Hörenswert: Theon Cross – „Fyah“
Achtung Feuer! – Brennen tut es hier zwar ‚nur‘ musikalisch; trotzdem sollte man sich etwas in Acht nehmen. Denn was hier aus den Endgeräten strömt, hat nichts mit dem Jazz zu tun, den Akademiker gerne als Klassik der Neuzeit bezeichnen. Vielmehr erzeugt das Debutalbum des Londoner Tuba-Spielers eine mitreißende energetische Kraft die – ganz im Sinne der Geschichte dieses Genres – diverse Stile in sich aufnimmt, hochmodern klingt und die nötige Aufmerksamkeit mit aller Macht einfordert.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 08.03.19 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 14.03.19 ab 00:00 Uhr.
Leise ist diese Musik wohl nur schwer zu hören. Folglich dreht man entweder ab, oder den Lautstärkeregler weiter auf. Bei Letzterem begibt man sich auf eine atemberaubende und haarsträubende Reise bei der einem die Töne nur so um die Ohren fliegen. Nicht umsonst startet das Album mit einer Nummer, die bezeichnenderweise mit „Activate“ betitelt ist und seinem Namen durchaus gerecht wird. Zum Luftholen lässt uns Theon Cross auf dem kompletten Album kaum kommen. Balladesk wird es lediglich bei „CIYA“, die im Downtempo-Bereich angesiedelt ist. Der Rest strotzt nur so vor energetischer Kraft.
Vielleicht erfuhr der Jazz in den letzten Jahrzehnten eine einengende Begradigung durch diverse Dogmen, akademische Verbohrtheit und Klischees die allzu oft den musikalischen Fluss einbetonierten und daran hinderten über die Ufer zu treten, zumal das musikalische Erbe die jungen Musiker schier zu erdrücken scheint. Gemessen wird immer an den ‚Klassikern‘ des Genres wie „Autuum Leaves“ oder „In A Silent Way“.
Ohrenscheinlich macht sich Theon Cross auf dieses Genre, das schon immer untrennbar mit Attributen wie Kreativität, Freiheitsliebe oder Spontaneität verbunden war, zu renaturieren. Zwar kommt „Fyah“ in einem Jazzgewand daher, tritt aber stets über die Ufer, umspült so manche Ecke und spielt sich durch allerlei Stile, die alle eines Gemeinsam haben: Wildheit, Verwegenheit, eine nur schwer zu kontrollierende energetische Entladung und allem voran: die ewige Suche nach Freiheit und Identität. Gemeinsamkeiten mit der frühen Punk-Bewegung oder dem ‚No-Wave‘ sind also nicht von der Hand zu weisen.
Es kann wohl als historischer Witz angesehen werden, dass sich mit Theon Cross ein Tuba-Spieler aufmacht der Musik etwas zurückzugeben, was sie eigentlich immer ausgezeichnet hat. Denn für gewöhnlich taucht die Tuba (trotz solch Größen wie Bob Stewart) eher in traditionellen Maching-, Dixieland- oder Swing-Bands auf. Theon Cross kümmert sich nicht um Klischees und bricht zudem Dogmen auf die vielleicht irgendwann einmal einen Sinn ergaben, inzwischen aber als völlig überholt angesehen werden können.
So sind es beispielsweise oft vordergründig recht simple Strukturen, die eine Nummer tragen, aber eben mit der richtigen Haltung gespielt in der Lage sind einen Flächenbrand zu erzeugen. War es noch im europäischen Free-Jazz verpönt Phrasen zu wiederholen, arbeitet Cross nur allzu gerne mit Repetitionen die mantrenartig vorgetragen, immer wieder neue und sinnstiftende Zusammenhänge ergeben. Ob Phaser, WahWah oder Delay: auch den Einsatz von Effekten scheut Cross keinesfalls, was auf „Candace of Meroe“ wunderbar zu hören ist.
Theon Cross: “You can have technique but ultimately we all have to ask ourselves, what is my identity?“
Als Sideman war Theon Cross bereits bei den Sons Of Kemet zu hören. Cross geht diesen Weg konsequent weiter. Nur das ein Debutalbum klingt, als ob es direkt von den Straßen Londons zu kommen scheint: Megacool, zeitgemäß und einfach wahnsinnig gut gespielt. Neben dem sehr direkten Sound der vermuten lässt, dass hier ohne Netz und doppelten Boden eingespielt wurde, ist es aber vor Allem die Haltung mit der hier musiziert wird, die das Album so außergewöhnlich macht.
Personnel: Theon Cross: tuba; Moses Boyd: drums; Nubya Garcia: tenor saxophone (1-4, 6, 8); Wayne Francis: tenor saxophone (5, 7); Nathaniel Cross: trombone (5, 7); Artie Zaitz: electric guitar (5, 7); Tim Doyle: percussion (5, 7).
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