„Jetzt sendet das Freie Radio Wolfgang Hirner“
Laudatio zum Radio-Schorsch 2024 (von Georg Wimmer)
Es freut mich, dass ich über den diesjährigen Preisträger vom Radio-Schorsch ein paar Worte sagen darf. Zuerst möchte ich der Programm-Kommission zu ihrer Entscheidung gratulieren. Als ich davon erfahren habe, dass Wolfgang Hirner mit dem Radio-Schorsch 2024 ausgezeichnet wird, war aber erst mein zweiter Gedanke, dass das eine gute Idee ist. Mein erster Gedanke war: Wieso der Wolfgang, der muss ihn doch schon längst haben?
Späte Würdigung für Pirat und Gründer
Wenn es eine Person gibt, die für langjährige oder besondere Verdienste für die Radiofabrik eine oder mehrere Ehrungen verdient, dann ist das ohne Zweifel er. Es ist schon eine Ironie, dass der Gründer und Vordenker, der letzte Salzburger Pirat und erste legale Kapitän vom Freien Rundfunk relativ spät gewürdigt wird.
Wolfgang war immer Visionär, Arbeiter und Netzwerker. Einer – das muss man auch sagen – manchmal unterschätzt wurde. Was der Radiofabrik aber nie geschadet, sondern eher genützt hat. Denn der Wolfgang war nicht nur eine coole Socke und ein zäher Hund, sondern ein ausgezeichneter Stratege noch dazu.
Die Geschichte, als ein Hubschrauber auf dem Untersberg Jagd auf eine Handvoll Radiopiraten gemacht, ist schon oft erzählt worden. Als dann noch Polizisten rausgesprungen und auf sie gezielt haben, hat sich Wolfgang Hirner klugerweise ergeben. Weniger bekannt ist dagegen, wie das Ganze vor Gericht ausgegangen ist. Wolfgang war ja angeklagt. Verstoß gegen das Rundfunkgesetz. Zur Verhandlung ist er ohne Anwalt erschienen, dafür mit einem kleinen Zeitungsartikel.
Denn zwei Tage vor Wolfgangs Verhandlung ist die Republik Österreich schuldig gesprochen worden. Der Europäische Gerichtshof hat Österreich verurteilt, weil es als einziges Land in Europa an einem staatlichen Rundfunkmonopol festhalten wollte. Den SN war der Schuldspruch einen Einspalter wert und genau damit ist Wolfgang zur Verhandlung marschiert, hat dem Richter den Zeitungsausschnitt auf dem Tisch gelegt und gesagt: „Was wollt´s ihr überhaupt? Wollt ihr mich jetzt noch verurteilen?“ Der Richter war auch nicht blöd und das dann gelassen.
Ab jetzt sendet das „Freie Radio Wolfgang Hirner“
Dann hat Wolfgang etwas gemacht, was wirklich unerhört war, er hat bei der ersten Gelegenheit um eine Radiofrequenz angesucht. Er hatte damals keine Gruppe, keinen Verein, sondern hat das als Einzelperson gemacht. Die erste Lizenz ist deshalb auf seinen Namen gelaufen. Als die Radiofabrik Jahre später erstmals ein Sendefenster von fünf Stunden bei Radio Arabella bekommen hat, hat sich Radio Arabella immer mit den Worten distanziert: „Radio Arabella übernimmt keine Verantwortung für das nachfolgende Programm. Ab jetzt sendet das Freie Radio Wolfgang Hirner.“ Das war 1998.
Es gäbe viel zu erzählen, wie es Wolfgang gelungen ist, Leute zu finden, die er fürs Radio begeistern konnte, wie er einen Verein gegründet hat, erste Räumlichkeiten, Equipment gecheckt hat. Politiker-Kontakte zwecks Förderung geknüpft hat. Ich war da und dort dabei und hatte immer den Eindruck, dass ihm das einen Riesenspaß gemacht. Das Ganze hat aber bald auch eine ernste Seite bekommen, weil wir so schnell gewachsen sind. Wir haben damals schon als eines der drei großen Freien Radios in Österreich gegolten. Die anderen zwei waren Orange in Wien und FRO in Linz.
Die Radiofabrik hatte bald vier, fünf Angestellte. Und das zu einer Zeit, als es noch keine Bundesförderung gab. Ich bin nicht sicher, ob ich das ganz korrekt wiedergebe, aber die Dimensionen stimmen: Es gab eine Zeit, da hatte die Radiofabrik 20.000 Euro Förderung von Stadt und Land – und gleichzeitig ein Jahresbudget von 300.000 Euro. Das muss man sich einmal vorstellen. Das Zauberwort lautete: EU-Projekte, die Wolfgang gemeinsam mit dem David Röthler auf den Weg gebracht hat. Mit diesen Projekten konnte sich die Radiofabrik quasi selbst querfinanzieren, musste dafür aber auch einiges leisten und abrechnen. Wie das dann im nächsten Jahr ausschauen würde, ob wieder ein EU-Projekt genehmigt würde, das konnte niemand sagen. Da ist selbst Wolfgang Hirner manchmal das Lachen vergangen.
Er uns als Team höchstens die Hälfte erzählt – sonst wären ihm einige Leute davongelaufen
Wenn ich sage niemand wusste, wie das nächste Jahr ausschaut, dann stimmt das nur zum Teil. Okay, ganz sicher hat es selbst Wolfgang nicht gewusst. Aber Wolfgang hatte immer einen Plan, Wolfgang hat Jahre vorausgedacht, Wolfgang hatte Visionen. Und wie es sich für einen guten Visionär gehört, hat er uns als Team höchstens die Hälfte davon erzählt – sonst wären ihm einige Leute davongelaufen. Weil irgendjemand musste diese EU-Projekte ja auch umsetzen und Sendungen prodzieren. Das war der Riesenspagat, den er als erster Geschäftsführer zusammen mit dem Vorstand hinkriegen musste. Eine tragfähige Struktur aufzubauen mit wie man an der Uni sagen würde – mit Drittmitteln.
Und es ist gut ausgegangen! Mit allen Schwierigkeiten, die wir natürlich hatten. Die Radiofabrik ist gewachsen, sie ist nur dreimal umgezogen und sie ist angekommen. Das ist ganz entscheidend das Verdienst von Wolfgang und seiner Ära im Freien Radio Salzburg von 1993 bis 2007. Später kamen dann noch viele Jahre Tätigkeit im Vorstand dazu.
Zwerg – Riese
In der Wissenschaft gibt es den Spruch, wonach wir alle nur Zwerge sind, die auf den Schultern eines Riesen stehen. Gemeint ist damit, dass die aktuelle Generationen oft nicht abschätzen kann, wie groß die Verdienste von vorangegangenen Generationen oder Personen sind. In unserem Fall passt das Bild mit dem Riesen nicht ganz perfekt, bitte um Verständnis Wolfgang 🙂
Außerdem klingt das so, als gäbe es aktuell fast nix mehr zu tun, oder als sei nach der Ära Hirner nicht mehr viel passiert, was beides natürlich überhaupt nicht stimmt.
Was mir bei dem Bild mit dem Riesen außerdem nicht so gefällt ist, dass damit Leistungen ins Übermenschliche gesteigert werden. Ehrlich gesagt gefällt mir das Bild vom Riesen nur deshalb so gut, weil da viele Zwerge mit dabei sind. Doch rückblickend stimmt das schon, wir sind alle Zwerge und der Wolfgang Hirner ist kein Riese, sondern auch nur ein Mensch. Aber einer mit breiten Schultern, auf denen andere gut stehen können.
In diesem Sinne, lieber Wolfgang, du hochverdienter Preisträger:
Herzliche Gratulation zum Radioschorsch.
2 Kommentare
Ich kenne Wolfgang Hirner – damals nur vom Sehen – aus den 1990ern vom Piratenradio in Wien, wo wir beide aktiv waren. Seit 2008 mache ich seine Radiofabrik in Salzburg weiter, denke erfolgreich. Das freut mich auch für dich.
Wofür ich sehr dankbar bin: Wolfgang war ab 2012 wieder Vorstand, und wir haben uns auch strategisch immer wieder sachlich gematcht. Es ist nicht einfach, sich in in eigenen Gründungen später „emotions-reduziert“ zurück zu nehmen aber gleichzeitig „Kante“ zu vertreten. Du hast das hervorragend ausgefüllt, Chapeau!
Du ziehst dich wegen Konflikt mit den Compliance-Regeln der Radiofabrik zurück – Vorstand versus politische Funktion als Gemeinderat in Ainring – das hat Georg Wimmer nicht erwähnt.
Für diese Sauberkeit und für viele Inputs vielen, vielen Dank, lieber Wolfgang. Für dein „Hirn“, und für manch durchzechte Nacht.
Wir werden wieder anfragen, falls dir in Ainring fad wird :-)))
Hab’s erst viel zu spät gsehen – schön, das ganze nochmal nachlesen z’kina