Hörenswert: Amir El Saffars River-Of-Sound-Ensemble – „Not Two“
Überwältigend hymnisch und mit einer enormen polyzentrischen Vielfalt, führt das siebzehn-köpfige Ensemble Jazz mit klassisch arabischer Musik zusammen.
Dass dies auf „Not Two“ ganz selbstverständlich klingen mag, liegt hintergründig an einer grandiosen kompositorischen Meisterleistung und der Leitung der fantastischen Musiker durch Mastermind Amir El Saffar. Auch dank des großen Orchesters ergibt sich eine faszinierende Klangwolke mit wunderbarer Unschärfe zwischen Komposition und Improvisation.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 10.04.20 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 16.04.20 ab 00:00 Uhr.
Zuerst scheint die Musik originär orientalischer Herkunft und das ist auch sicher die Kompositorische Heimat der meisten Stücke des Albums. Doch schon bald scheint man dem River-Of-Sound-Ensemble auf den Leim gegangen zu sein. Denn es werden hier unglaublich viele unterschiedliche musikalische Ausdrucksformen miteinander verbunden, so dass nur der Fokus auf den Klang zu bleiben scheint. Dieser ist Aufgrund der steten Wandelbarkeit, der raffinierten Schichtungen und des exotischen Klangkörpers einfach überwältigend. Immens lange Melodiegerüste verführen in ihrer Opulenz dazu, ihnen zu viel Aufmerksamkeit zu schenken und die zeitgleich laufenden genialen Nebenstimmen, die Improvisation und die rhythmische Vielfalt wahr zu nehmen.
Nicht verwunderlich, dass dieser Ansatz sich auch im Format widerspiegelt: Hier werden Geschichten erzählt, die sich entfalten müssen, überraschende Wendungen nehmen und von diversen Nebenhandlungen durchdrungen sind. Zudem birgt „Not Two“ freiere Teile in sich, die im Geiste mit Sun Ra und seinem Arkestra Verwandtschaft aufweisen. Das braucht folglich seine Zeit: Auf den gut 86 Minuten Spielzeit finden sich lediglich acht Stücke, bei denen die Mehrzahl die Zehn-Minuten-Grenze auch ganz ohne Geschwätzigkeit locker sprengen. Nicht verwunderlich also, wenn „Not Two“ eines von den seltenen Alben ist, die einfach nicht langweilig werden wollen und bei denen es immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt.
Nicht weniger, als völlig unterschiedliche musikalischen Welten zu verbinden, hat sich der Trompeter El Saffar, dessen Vater einst aus dem Irak emigriert ist, auf „Not Two“ vorgenommen und tut dieses so schlüssig, dass eine geografische Zuordnung letztlich überflüssig ist:
“Rivers of Sound is not concerned with ‘bridging’ divergent cultures. In each composition, one can hear elements of maqam, polyphony, polyrhythmic structures, melisma, and groove. But these do not exist as separate entities ‘belonging’ to any people or place.” (Amir El Saffar)
Santur, Vibrafon, Trompete oder Buzuq vereint El Saffar zu einem Klangkörper, der zielgerichtet etwas Hymnisches und Ekstatisches erzeugt. Mit Pianist Craig Taborn und Gitarrist Miles Okazaki spielen hier noch zwei absolute Könner aus dem Jazzbereich auf, die beide ein ganz feines musikalisches Gespür für das Erzeugen von tranceartigen Strukturen aufweisen.
So akademisch „Not Two“ aufgrund der kompositorischen Raffinesse und der Brillanz der Musiker zuerst klingt, so frei entfaltet sich der Klang des Orchesters bei öfterem Hören. Und dieses ist sicherlich kein Fehler, denn obwohl die kunstvolle Verführung allgegenwärtig ist, fordert die Musik des River-Of-Sound-Ensembles seine Hörerschaft nicht wenig. Ein höchst facettenreiches, grandios gespieltes Album, das in seiner Art sicherlich einzigartig ist.
The Musicians
- Amir ElSaffar, trumpet/santur
- Carlo DeRosa, acoustic bass
- Craig Taborn, piano
- Dena ElSaffar, violin/jowza
- Fabrizio Cassol, alto saxophone
- George Ziadeh, oud/vocals
- Jason Adasiewicz, vibraphone
- JD Parran, bass saxophone/clarinet
- Miles Okazaki, guitar
- Mohammed Saleh, oboe/English horn
- Naseem AlAtrash, cello
- Nasheet Waits, drums
- Ole Mathisen, tenor saxophone/soprano saxophone
- Rajna Swaminathan, mridangam
- Tareq Abboushi, buzuq
- Tim Moore, percussion/dumbek/frame drum
- Zafer Tawil, percussion/oud
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