Hörenswert: Andrew Bird – „My Finest Work Yet“
Feeeine Sache, auch noch ein paar Monaten nach der VÖ: Andrew Bird ist nach 15 Soloalben mit „My Finest Work Yet“ zurück im süffigen, verschunkelten Indie-Folk und haut auch gleich sanft aber bestimmt auf den Putz. Nicht nur beim Artwork (Bird in Jacques-Louis David’s “The Death of Marat”) sondern auch in den Geschichten schielt leicht düsterer Humor an der Grenze zum Witz hervor: Die feine Spitze an der Oberfläche der Welt, kitzelnd und kratzend gleichzeitig, wie die Nadel auf der Platte.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 27.09.19 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 03.10.19 ab 00:00 Uhr.
Ein Akustikalbum im Heustadel aufnehmen, Songs und Kurzfilme aus Wüsten-Canyons in Utah oder Musik, die Bird tatsächlich in einem Fluss stehend spielt (ECHOLOCATIONS: RIVER) – seine Raffinesse und Experimentierfreude positionieren Andrew Bird seit über 20 Jahren inmitten Sub- und Hochkultur, geradeaus zwischen Lollapalooza und der Oper in Sydney. Nach einigen suchenden und wandernden Alben ist „My Finest Work Yet“ fließend ausbalanciert, konkret und aufzeigend, immer direkt, plain und erzählt in Ton und Text auf einer halben Metaebene höher die menschlichen Irrungen – live eingespielt, ohne Kopfhörer, ohne Trennung der Instrumente, in einem früheren Postamt.
Leitmotiv und Opener „Sisyphus“ faded ein und lässt Birds Attitüde mehr als ein bisschen vorahnen:“Did he raise both fists and say, ‘To hell with this,’ and just let the rock roll?” Einfach mal Zeit nehmen, sich auf einen Felsbrocken setzen und die schöne Sinnlosigkeit bewundern. Why not?
„Olympians“ tänzelt sich elegant und rasch wie auf Zehenspitzen auf die Bühne und nimmt Fahrt auf, wird episch mit OHs zu den Göttern hochgezogen. In „Manifest“ dropped Bird “The Earth spins faster, whistles right past ya / Whispers death in your ear / Don’t pretend you can’t hear” und bei „Bloodlines“ zieht er die Kreise vom Spanischen Bürgerkrieg über Donald Trump und einem global aufkeimenden Unwohlsein hin zur grundlegenden Unzufriedenheit mit den Führungspersonen, denen kein Glaube mehr zu schenken ist. Der kleine Epos einer Erde.
Was da zu tun ist? Ein fröhliches „Wir werden alle draufgehen!!“ rufen und mit den Schultern zucken. Das ist das Aufbäumen gegen die Apathie, gegen die Passivität die sich einschleicht, wenn alle nur noch sudern „Ja schlimm ist es gerade auf der Welt, ganz schlimm“. Andrew Bird intendiert ein belustigtes Kichern anstatt dass man sich nachdenklich das Kinn krault und pfeift einfach drauf.
„My Finest Work Yet“ von Andrew Bird ist am 22. März 2019 bei Loma Vista erschienen.
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