Hörenswert: Andrew Jackson Jihad – „Christmas Island“
Folkpunk ist ja generell was Tolles. Irgendwann kann man nämlich keinen sonnigen Radiorock mehr hören und keine Jungs und Mädels mit Hosenträger, geblümten Kleidern und Haarbändern mehr sehen.
Zum Glück gibt es zumindest eine Band, die diese ganze nette Szenerie crashed und mit schrägen Hymnen über soziale Inkompetenz, mit schiefem Lalala den Herzschmerz zelebriert und UNnett, ruppig und möglichst seltsam instrumentiert den geneigten Hörer wieder Hoffnung auf Alternativen gibt. Andrew Jackson Jihad macht das schon mit dem Titel „Christmas Island“ deutlich: Ernsthafte Albernheit.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 22.08.14 ab 14:08 Uhr, Wh am Donnerstag, 28.08.14 ab 00:00 Uhr.
“During the period of writing this record it became difficult to write songs” – so Chef-Songwriter Sean Bonnette. Das passiert offenbar, wenn man es konsequent anders rum versucht und sich mal nicht allbekannten Strukturen beugt.
„Christmas Island“ ist das 5. Album der Band aus Phoenix, Arizona und wurde aufgenommen von John Congleton (Murder By Death, The Mountain Goats, Okkervil River). In vielerlei Hinsicht aber doch ein Debüt: Der erste Longplayer bei Side One Dummy, die ersten Aufnahmen mit drei neuen Mitgliedern (passend: https://www.youtube.com/watch?v=uX9HsGLJR1g) und die damit verbundenen Crowdfunding-Aktion, um Geld für einen Van für die Tour zu sammeln. Immerhin 33.000 Dollar konnten gesammelt werden, und das in der Punkszene! Mit dem Sprung vom Duo (Bonnette und Bassist Ben Gallaty) zur Band schaffte es Andrew Jackson Jihad, sich genau richtig zwischen den Genres zu positionieren und vorsichtig erwachsen zu werden, ohne aber auf den rohen Charme der letzten Jahre zu verzichten.
„Vampire hunters, cannibals and dog’s assholes: Must be a new album from Andrew Jackson Jihad.“
Sie haben es schon sehr mit Worten. Das äußert sich schon in erster Instanz an Songtiteln. Aktuell ‚Getting Naked, Playing with Guns‘, ‚Deathlessness‘ oder auch genial aus den letzten Jahren ‚The Michael Jordan of Drunk Driving‘ and ‚Love in the Time of Human Papillomavirus‘. Wenn man schon so linguistisch versiert ist und gut und gerne als Folk-Punk-Weirdos gilt, darf sich das aber schon mal exzentrisch äußern (gut, offensichtlich wird es bei Zeilen wie „At the corner of my eye, coming out from the teeth-filled sky with eyes as red as a dog’s asshole when you see it shitting“ in ‚Children of God‘).
Selbiges gilt in künstlerischer (genaue Blicke auf das Cover lohnen sich) aber auch in musikalischer Hinsicht für das aktuelle Album, nicht oft fragt man sich ob man da jetzt richtig gehört hat und ob das schon gewollt ist. ‚Temple Grandin‘ wickelt gleich zu Beginn spitze soziale Kommentare in fröhlichen Punk („find a nicer way to kill him“) mit passender emo-angst Adoleszenz. Mit ‚Getting Naked, Playing With Guns‘ wird das Ganze dann etwas trippig aber das war irgendwie zu erwarten. ‚Linda Ronstadt‘ verbinden Herzenswärme mit Heiterkeit und hat Momente echter Offenbarung: “loosing his shit in a museum/ it was a video installation of Linda Ronstadt”. Und ‚Deathlessness‘ kommt mit dem obligatorischen Western-Sound (zugegeben, den kriegt man nicht aus dem FreakFolk) gerade recht um die starren Gebeine in Schwung zu bringen.
„I was getting ready to accept the death of my grandfather. A lot of the songs like ‘Coffin Dance’ and even ‘Linda Ronstadt’ I think have some of that, and [Christmas Island] tries to capture that feeling of catharsis and overwhelming emotion that you can’t really explain”.
Irrsinnig, komisch, beängstigend und intellektuell subversiv. Katharsis und Witzeleien passen besser zusammen als man glaubt.
„Christmas Island“ von Andrew Jackson Jihad ist am 6. Mai 2014 bei Side One Dummy Records erschienen.
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