Hörenswert: Apparat – „Krieg und Frieden (Music For Theatre)“
Soundgewordene Theatralik
Wer Apparats frühere Werke kennt, wird mehr oder minder überrascht sein, das 2013er „Krieg und Frieden“ zu hören. Man muss Tolstois Wälzer nicht unbedingt gelesen haben, um dieses Album brillant zu finden. Da gibt’s nix zu schämen, da gibt’s den bloßen Hörgenuss, der die Phantasie dermaßen anregt, als hätte man’s gelesen.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 31.10.14 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 06.11.14 ab 00:00 Uhr.
Sascha Ring aka Apparat, der sich eigentlich als Techno-Produzent einen Namen in der Musikbranche gemacht hat, überrascht mit einem Debüt auf der Theaterbühne. Mit dem erweiterten Soundtrack zu Sebastian Hartmanns Theaterinszenierung des russischen Literaturklassikers, inszeniert für die Ruhrfestspiele in Recklinghausen 2012, bannte Apparat nach „A Devil’s Walk“ sein sechstes Album auf Platte.
Wenn Künste aufeinandertreffen
Was gibt es Schöneres, als wenn sich zwei geniale Künste zusammentun? Wer klassische Literatur ebenso liebt wie klassische Musik und dennoch nichts gegen eine gehörige Portion Elektronik hat, der wird seine Freude mit diesem Soundtrack haben.
Ring malt gekonnt Soundschicht um Soundschicht aufeinander, um langsam die Soundkulisse für Hartmanns Version von „Krieg und Frieden“ zu Tage treten zu lassen. Neben der hauptsächlichen Schichterei, begeistern die beiden Perlen des Albums – „LightOn“ und „A violent sky“ zusätzlich mit der Stimme des in Berlin beheimateten Musikers.
Als Basis für die Vertonung dieses Mammut-Projekts diente dem Sound-Bastler kein Skript, Hartmann erarbeitete das Stück gemeinsam mit dem gesamten Ensemble.
„This is anything but conventional theatre. It’s a free space, where a bunch of freaks can go wild. It starts with the lights and stops with the actual actors. At night, we worked on the music in the empty hall. It was kind of magical.” (Sascha Ring)
Ein Mann der Gegensätze
Das vorliegende Album besteht aus Teilen und Arrangements aus der Theatervertonung. Neu zusammen- und ausgebaut, bestehen die neuen Stücke auf „Krieg und Frieden“ auch souverän ohne das Theaterstück. Bezaubernde Klavier- und magische Cello-Passagen, gespielt von Philipp Timm, sowie Violine (Christoph Hartmann) werden hinreißend umrahmt von einem 14-köpfigen Orchester. Soundelemente, Glockenspiel, melodiöser Gesang und mitreißend-dramatische Arrangements geben das Ihrige dazu.
Es wird befunden: Gegen ein wenig Theatralik ist unter den gegebenen Umständen nichts einzuwenden, gegen jede Menge klassischer Orchesterelemente schon gar nicht.
„It’s the first record ever that didn’t hurt at some point. It’s full of imperfection because it was made by humans.“ (Sascha Ring)
Ring fungiert neben seinem Solo-Projekt „Apparat“ auch als Teil des DJ-Duos Modeselektor, mit denen er Moderat bildet, ein Berliner Musikprojekt, bei dem es weit basslastiger und fetter zugeht und das man sich ruhig auch einmal zu Gemüte führen kann – eine Empfehlung in der Empfehlung.
Krieg und Frieden (Music For Theatre) ist am 15. Februar 2013 bei Mute erschienen. Das Artwork stammt von Tilo Baumgärtel.
Tracklist:
44
44 (noise version)
LightOn
Tod
Blank Page
PV
K&F Thema (pizzicato)
K&F Thema
Austerlitz
A Violent Sky
Unveränderlich unter meinen Top 3 Alben! Und ich habe Tausende Lieder gehört und wertgeschätzt. Aber was Apparat hier gelungen ist, ist übermenschlich.