Hörenswert: Sotomayor – „Orígenes“
Auch auf ihrem dritten Studioalbum versucht sich das Geschwisterpaar Raúl und Paulina Sotomayor an der Verschmelzung von kühler Elektronik und wärmespendenden Latin-Beats. Das gelingt auf „Orígenes“ zwar nur streckenweise, zeigt aber trotz allem das Potential der mexikanischen Formation, die ihre Suche nach Ausgewogenheit sicherlich fortsetzen wird.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 10.04.20 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 16.04.20 ab 00:00 Uhr.
Vordergründig scheint es sich um eine wirklich tolle Idee zu handeln: Elektronische Clubsounds als Vehikel, um die traditionellen Musikkulturen in die digitale und kühle Welt des 21. Jahrhunderts zu transportieren. Nach dem Motto: ‚act local, dance global‘. Elektronik als Open-Source-Programm für die Musikkulturen dieser Welt. Inzwischen ist viel Zeit vergangen, ‚Buddha Bar‘ inzwischen ein alter Hut und alle Genres die als Präfix das Attribut ‚Nu‘ besitzen, sind bei ihrem Versuch gescheitert, der Elektronik Leben einzuhauchen. Im weiteren Verlauf geht es darum, eine Ausgewogenheit zwischen kühlen, im Musiklabor erzeugten Beats und wärmespendenden analogen Klangquellen zu finden. Auch die Interaktion zwischen beiden scheint in dieser Anordnung fast unmöglich. Gelingt es nicht, mit allem nötigen musikalischen Feingefühl ein schlüssiges Konzept zu formen, scheint der Weg in die Bedeutungslosigkeit vorprogrammiert.
Diese Gefahr besteht auch bei den Geschwistern Sotomayor, die mit „Orígenes“ ein Album abliefern, das viele gute Ansätze in sich birgt, aber nur streckenweise wirklich überzeugen kann. Dabei sind die Beats wirklich gut produziert, überzeugen aufgrund ihrer trockenen, eleganten Erscheinung und ihrer Transparenz, die genug Platz für die gut gesetzten Samples lässt. Somit bekommt Paulinas Stimme die Präsenz, die sie in ihrem leichten Flüsterton auch benötigt. Ab und an taucht mal ein Chor, ein Belcanto, Latin-Percussion oder ein traditionelles Saiteninstrument auf, ohne aber wirklich musikalische Bedeutung zu erlangen.
Der Grundcharakter des Albums bleibt somit ein kühler, recht steriler. In diesem Bereich liegen eindeutig die Stärken von „Orígenes“, das gut funktioniert, solange die Nummern mit einer raffinierten und eleganten Klarheit arbeiten, die perfekt in jede Cocktail-Bar passen. Zu erwähnen wären hier „Quema“ oder „Ella“ die aufgrund ihren staubtrockenen Beats und den feinfühlig angewandten Effekten eine ganz eigene Atmosphäre besitzen. Geopfert wird dabei aber eine musikalische Tiefe, deren Mangel auch in diesem Musikkonzept ins Gewicht fällt. Zieht man Albumcover und die Ästhetik der Videoclips hinzu, ist klar, dass hier versucht wird eine Art Kunstkonzept zu präsentieren, das etwas ikonenhaft-abstraktes darstellen möchte. Doch so abgehoben ist die Musik von Sotomayor dann eben nicht. Vielmehr sind hier die technoiden Sounds oft zu dominant, die Dancefloor-Ausrichtung zu präsent und damit die Möglichkeiten etwas originäres, kulturspezifisches mit Tiefgang zu erzeugen in diesem Setting zu gering.
Damit bleibt es auch auf „Orígenes“ bei einer Talentprobe des mexikanischen Geschwisterpaares, dessen Entwicklung aufgrund ihres Potentials wert ist zu verfolgen.
„Orígenes“ ist am 20. März 2020 auf Wonderwheel erschienen.
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