Hörenswert: Caribou – „Our Love“
Dan Snaith aka Caribou macht Herbst-Pop. Das könnte glatt als neues Genre eingeführt werden, selten passt ein Album so gut zu trüben Novembertagen an denen sich schon langsam die Melancholie breitmacht. „Our Love“ liefert mit leichtfüßigem Bass, Soul-Fragmenten, Triphop und Electro-Klangflächen Musik, die sich einerseits wie ein wärmender Mantel anbietet, andererseits Raum zum Tanzen schafft. Der musikgewordene Tarnumhang, wenn man denn so will.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 14.11.14 ab 14:08 Uhr, Wh am Donnerstag, 20.11.14 ab 00:00 Uhr.
„Our Love“ ist das 4. Studioalbum von Caribou, vier Jahre nach „Swim“ von 2010. Dan Snaith versucht dabei nicht, das Großgeflecht der Liebe zu zerlegen oder zu definieren, vielmehr ist das Album ein Panopticon, seine Vorstellung im arena-artigen Zentrum, das Betrachtungen von allen Seiten ermöglicht und daraus neue Fragen kreiert. Der Kanade (ich sags ja, in musikalischer Hinsicht das neue Schweden) zelebriert beinahe den Ausgleich zwischen Logik und Emotionen und fusioniert dies mit fast perfekter Einfachheit. Unterstützung erhielt er dabei von Jessy Lanza und Owen Pallett und hält sich nicht besonders konsequent an Genregrenzen. Waren frühere Werke (zB. „The Milk of Human Kindness“ von 2005) eher tendierend Richtung Krautrock oder noch früher Psych Pop und IDM, schielt „Our Love“ wieder mehr gen Tanzfläche.
Trotzdem ist die Musik von Caribou unaufdringlich, geerdet und gibt nur einen groben Rahmen vor, der vom Zuhörer zeitgleich mit den eigenen Gedanken gefüllt wird. Mathematische Präzision, möchte man meinen, und akrat: Snaith ist promovierter Mathematiker am Londoner Imperial College, das heißt es ist gar nicht mal so weit her mit der perfekten Einfachheit (die lässt sich sicher berechnen!).
„Our Love“ bietet aber noch mehr: Soulstep, Hip-Hop, Rhythm&Blues und sowas wie Art-Electro. ‚Can’t do Without You‘ dürfte in diesem Sommer an wenigen vorbei gerutscht sein: üppig und schön wie eben jener hätte sein sollen. ‚Silver‘ lässt noch die psychedelischen Einflüsse von früher durchklingen und erinnert ein bisschen an Barbarossa, ‚Our Love‘ steigert sich in fünfeinhalb Minuten zu deep house und zu diesem Gefühl, das sich für gewöhnlich um 5 Uhr morgens beim Tanzen breitmacht. ‚Back Home‘ ist die Ballade kurz vor dem Ende, die aber keine Angst davor hat in Wellen aus Synth Pop auszulaufen, quasi wie Depeche Mode zu den düsteren Zeiten. Einzig ein Song fällt aus dem Rahmen, ‚Second Chance‘ ist fast schon erschreckend poppig, zu platt und zu sehr Gesäusel um zum Rest des Albums zu passen. Aber, Vorwärts-Taste drücken und schon ist der Spuk vorbei.
„Our Love“ ist das Hin und Her zwischen schmerzender Melancholie und dem Glauben, dass doch alles gut ist wie es ist. Es ist das selige Ersticken an der Liebe, draußen am offenen Feld. Überhaupt ist Caribou Musik für große Bühnen oder weite Wiesen. Gerne auch im Liegen.
„Our Love“ von Caribou ist am 6. Oktober bei City Slang erschienen.
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