Hörenswert: Das Jamie Saft Quartet – „Hidden Corners“
Für sein aktuelles Album hat Tausendsassa Jamie Saft mit Hamid Drake (dr), Dave Liebman (sax) und Bradley Christopher Jones (bs) ein wahres All-Star-Team zusammen gestellt, das im Spannungsfeld zwischen freier Improvisation und Komposition eine faszinierende Klangsprache entwickelt. Insbesondere die beeindruckende Ausgewogenheit zwischen dem schönen Ton und freier Expressivität verleiht „Hidden Corners“ einen ganz eigenen Ausdruck, der dieses Album so bemerkenswert macht.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 13.09.19 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 19.09.19 ab 00:00 Uhr.
Tastenakrobat, Tonmeister, Produzent. Dub-Reggae, Jazz, Elektronik, Soundscapes: Jamie Saft bleibt bis zu einem gewissen Punkt einfach unberechenbar. Und doch ist der rote Faden in Safts Oeuvre nicht zu überhören. Denn der 1971 in Brooklyn geborene Saft ist wohl am treffendsten als Mystiker und Spiritualist zu bezeichnen der sich unter Anderem intensiv mit der kabbalistischen Numerologie beschäftigte und so auch zwei sensationelle Alben für John Zorns Label Tzadik (Radical Jewish Culture) eingespielt hat. Logischerweise verfolgt er trotz aller Unterschiedlichkeiten in seinem Schaffen ganz konsequent eine Tonsprache, die dem Übernatürlichen einen Klang gibt. Auch wenn das vielleicht etwas vermessen klingen mag, kann man Saft durchaus mit den großen Meistern dieser Musik wie Albert Ayler, Pharoah Sanders oder Anthony Braxton in einem Satz erwähnen.
Und so versprüht „Hidden Corners“ gleich ab dem ersten Ton ein hymnisches Feuerwerk, das ganz eindeutig das Ziel verfolgt uns in Sphären zu entführen, die sich fernab von allem Weltlichen mit einem schier maßlosen Facettenreichtum entfaltet. Diese Mission verfolgt das Quartett als äußerst homogene Gruppe, die sich teilweise so richtig in Rage spielt. Und natürlich kommt der Ruhm dieser großen Namen, die hier zu Werke gehen nicht von ungefähr: Drakes ja wohlbekanntes Schlagzeugspiel fasziniert aufgrund der steten Variation und der auch im freien Spiel immer groovig wirkenden Klangwolken. Zudem hat sein Set einen Klang, der einfach zum niederknien ist. Bradley Christopher Jones Anschlag als kräftig zu bezeichnen wäre wohl immer noch eine Untertreibung und die Basslinien scheinen fast mit dem Schlagzeug zu verschwimmen. Ausnahmesaxofonist Dave Liebman ist ja zudem Meister des Ausdrucks, der weit weg von belangloser Geschwätzigkeit keinen Ton zu viel spielt. Das Ganze verschwimmt zu einer Klangwolke, die dazu veranlasst die Musik als eine Einheit wahrzunehmen und sich nicht auf die einzelnen Klangerzeuger zu konzentrieren.
Somit haben wir es hier mit einem Quartett zu tun, das eine wabernde, sich stets transformierende Ton- und Geräuscherscheinung entfaltet. Ein Album für Menschen, die in höhere Sphären entschwinden möchten.
„Hidden Corners“ ist am 19. Juli 2019 auf Rarenoise Records / Cargo erschienen.
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