Hörenswert: Ederlezi – „Ederlezi“
Steppen-Folk und Blues, Rock’n‘Roll und Psych-Rock: Ederlezi bringen auf ihrem Debüt die tagträumerischen Melodien mit dem großen Sound der 60er und 70er in Fahrt.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 12.4.24 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 18.4.24 ab 00:00 Uhr
Troubled Mind
In der Summer-Wine-Rauchigkeit von Lee Hazlewood und Nancy Sinatra mit hallenden Big-Sound-Arrangements schlägt der Takt wie das bohemian Heart mit nomadischen Wurzeln. Ein bisschen Cari Cari und First Aid Kit, ein bisschen Dear Reader, ganz klar zwischen Peter, Paul & Mary, den Walker Brothers und Jefferson Airplane.
David Page ist Bassist bei den Pretenders und spielte u.a. mit Young Gun Silver Fox, Nell Bryden und The Black Pumas als Gitarrist, Bassist, Sänger und Kollaborateur auf ausgedehnten Tourneen. Hannah Nicholson ist Solokünstlerin, Troubadourin, Komponistin in der Londoner Folk-Szene und arbeitete bereits mit Hannah Williams & The Affirmations, Ellie Goulding und Gary Barlow zusammen. Und sie war Backgroundsängerin auf der Hochzeit von Prinz William, um hier ein bisschen Gossip reinzubringen.
„Ederlezi“ ist nun das Debüt der beiden hochtalentierter Individualisten und ein Einfangen des Undefinierten: Es ist der Sound der Erinnerungen eines mit Leidenschaft gelebten Lebens, voll der revolutionären Dinge, von Sucht, zivilem Ungehorsam und der Wut gegenüber dem Materialismus und Kommerz. Hannah Nicholson und David Page leben in London auf der Themse auf einem Hausboot. Dort entstanden – vom Schreiben über das Spielen bis hin zum Produzieren – die Songs für das Debütalbum, gegossen in den Namen Ederlezi, dem Namen des Boots, der Zuflucht und der Inspiration. Und eines ist klar, wenn etwas auf einem Bott entsteht, kann es ja nur gut sein (da spricht die österreichische Trauer über den Verlust eines Meerzugangs).
Buried Words
Zwischen Protestsong und Psychedelic erzählen Ederlezi in entschleunigter, quasi Quentin-Tarantino-Manier mit entsprechenden Gänsehaut-Synth-Einsätzen Geschichten über Drogensucht, Genesung und die Angst vor Rückfällen („Run Run Run“), von Umwelt und Plädoyers für Veränderungen für die nächste Generation („Children“), von alternden Frauenhelden, die von ausrangierten Liebhabern heimgesucht werden („Mary Beth“) und von der Bürgerunruhen 2020 und der Black Lives Matter-Bewegung („Buried Word“).
Wiegenlieder für das jüngere Selbst, Auseinandersetzungen mit gescheiterten Beziehungen und mit dem Verdrängen, an deren Ende aber auch Akzeptanz und Heilung steht. Die Themen sind alltäglich und nah, aber nicht gewöhnlich – und sogar wahr:
„‘Graves End‘ ist eine wahre Geschichte, als wir auf dem Meer verschollen waren. Dichter Nebel zog unerwartet auf und stürzte uns in panische Orientierungslosigkeit. Gerettet wurden wir durch ein freundliches Mastlicht, das wie ein Leuchtfeuer in der Dunkelheit erschien.“
Auf „Ederlezi“ klingt alles wie der Soundtrack aus einem futuristischen Western, mit der Dringlichkeit der 1960er-Bewegung. Die große Verehrung des klassischen Songwritings dieser Zeit (Scott Walker, Jackson Browne oder Joni Mitchell) und die immerwährende Suche nach den guten, bedeutenden Geschichten wird in den gitarrenlastigen Rock’n’Roll der 1950er gegossen und mit Psych-Rock gewürzt, mit Bassfiguren von Serge Gainsbourg und Prog-Rock.
Man möchte am liebsten aufs Pferd steigen und mit in den Sonnenuntergang reiten.
„Ederlezi“ von Ederlezi ist am 15. März 2024 bei Légère Recordings erschienen.
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