Hörenswert: Fire! Orchestra – „Enter“
Auf „Exit“ folgt „Enter“. Zwischen dem Spannungsfeld Improvisation und Komposition entfaltet das 28köpfige! Ensemble rund um den schwedischen Saxofonisten Mats Gustafsson fantastische und unglaublich facettenreiche Klanggebilde. In steter Entwicklung befindlich verwandeln sich diese oft von wunderbar feingliedrigen sowie kammermusikalischen Erscheinungen hin zu einem extrem energetischen, unglaublich kraftvollen und brodelnden Etwas, das wohl irgendwo zwischen Krautrock BigBand und Avantgarde sein Zuhause hat.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 04.07.14 ab 14:08 Uhr, Wh am Donnerstag, 10.07.14 ab 00:00 Uhr.
Wer hätte je gedacht, dass dieses Orchester je ein zweites Album einspielen würde? Zu lose wirkten die Bande, zu gewagt das gesamte Projekt. Auf „Enter“ macht das Fire! Orchestra genau da weiter, wo es mit „Exit“ aufgehört hat: Hoch expressive Klangreisen, die von 28 Musikern gespeist werden und jegliche Erscheinung annehmen können.
Hier geht es von songartigen Intros über in Avantgardeklänge und daraufhin gleich über in Parts, die man vielleicht als Free-Noise-Metal bezeichnen könnte. Jedenfalls entwickelt sich der Sound immer weiter, wirkt nie abgeschlossen, ist nie statisch, überrascht, beeindruckt, inspiriert und nervt manchmal auch. All diese Eigenschaften adeln das Fire! Orchestra als eines der spannendsten Kunstprojekte, die das junge Millenium bisher hervorgebracht hat. Schön daran ist, dass sich die Musik hier befreit von jeglichen ökonomischen Zwängen und Erscheinungsmustern, die unsere digitale Easy-Listening-Lounge-Welt so vorgibt.
Ebenso wie „Exit“ ist auch „Enter“ kein Album zur gemütlichen Beschallung. Sicherlich wird es einigen ob seiner Ecken und Kanten viel zu sperrig sein. Wer durchhält und sich hingibt wird garantiert einiges entdecken und nichts bereuen. Und gerade dieser Zauber, der bereits nach den ersten Takten des Albums entsteht, wird einem bei dieser etwas zum Exzess verleitenden Reise immer wieder als eine Art Insel begegnen. Ähnlich wie „Exit“ gemacht, kann einen „Enter“ zwar nicht mehr so überraschen, dafür erscheint das zweite Werk (auch kompositorisch) etwas ausgereifter, dadurch aber keinesfalls weniger wild.
In diesem freien Ansatz, den das Fire! Orchestra zelebriert, stehen Klänge, Geräusche, Laute, Stimmen und Instrumente gleichberechtigt nebeneinander. Damit ergeben sich durchaus Schnittpunkte zu Sun Ra, aber auch zu modernen Komponisten wie beispielsweise Lachenmann, Nono oder John Cage, die stets versuchten, Hörgewohnheiten zu brechen und sich von konventionellen tonalen sowie metrischen Zentren zu lösen. Letzteres schafft das Fire! Orchestra auf „Enter“ gleich öfter.
Das hört sich dann streckenweise recht nervig an. Sicherlich geht es hier aber um den Performance-Charakter. Muss Kunst denn immer schön sein? Anstatt hier die ‚hörbaren‘ Stellen wiederzugeben, sollte sich lieber jeder selbst den Weg durch dieses faszinierende Werk bahnen. Ebenso wie „Exit“ handelt es sich bei „Enter“ um ein brachiales und zugleich enorm feingliedriges Meisterwerk. Wo sonst als auf dem norwegischen Label Rune Grammofon, das für seine avantgardistische Linie berüchtigt ist, sollte diese Art von Musik erscheinen.
Das Album ist am 27. Juni 2014 auf Rune Grammofon erschienen.
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