Hörenswert: Intelligent Life – “Analogies”
Die Musik dieses Avantgarde-Trios ist in jeder Hinsicht ungewöhnlich.
Mit Kontrabass, Trompete und Elektronik erschaffen die US-Amerikaner Klangwelten, die sich im Irgendwo zwischen Ambient und Jazz verorten lassen. In der Regel verzichtet Intelligent Life bei ihren Interaktionen auf eine klare Metrik und tonale Zentren. Die Gravitation scheint so ausgehebelt und schwerelos fliegen die Töne im Äther umher.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 28.06.24 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 04.07.24 ab 00:00 Uhr.
Obwohl es auf diesem Album mit seiner knappen Stunde Spielzeit permanent kratzt, klopft, brummt und klirrt, entwickelt “Analogies” einen ungemein betörenden Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Und alle, die jetzt Angst vor der Avantgarde bekommen haben, können sich entspannen, denn trotz des recht gewagten Setting ist “Analogies” ein Album, das sich überwiegend im ganz entspannten Ambient-Bereich bewegt. Das lässt sich folglich auch ohne Vorbereitung im Alltag hören, ohne pensionierter Physikprofessor zu sein.
Inspiriert wurde das Trio anscheinend von Herman Melvilles Novelle “Moby Dick”. Wie dem auch sei. Jedenfalls hat man hier das Gefühl, Zeuge eines Naturphänomens zu sein. Als ob wir hier den Fluss der Töne beobachten, die zwischen vermeintlichem Chaos und entstehender Struktur oszillieren, unterschiedlichste Verbindungen eingehen, sich wieder voneinander entfernen, um sich für kurze Augenblicke zu etwas Groovendem zu versammeln. Vorerst klingt das sehr zufällig und ungewollt. Doch gerade das scheint von Intelligent Life angestrebt worden zu sein.
Eigenartig, betörend und wunderschön
Zudem erschleicht uns das Gefühl, hier irgendetwas mitgeteilt zu bekommen, dessen Sinn sich (noch) nicht ganz erfassen lässt. Etwas Konspiratives, das vorsichtig belauscht werden muss. Und irgendwie erregt dieses freie, zufällig anmutende Ton-Aggregat unsere Aufmerksamkeit in der Angst, etwas Entscheidendes zu verpassen. Mit der Zeit sind tatsächlich mehr und mehr Strukturen, Themen und feine Interaktionen auszumachen, die wie Erscheinungen in einer Traumwelt auftauchen.
Traumwelten mit einer ganz eigenen Gravitation
Intelligent Life zelebriert das Experiment und schafft auf “Analogies” Traumwelten mit einer ganz eigenen Gravitation, denen etwas Mystisches innewohnt. Vielleicht kann hier die Verbindung zu “Moby Dick” gehört werden. Das klingt aber nie plakativ und ist frei von so manchen Dogmen, die auch die ‘freie’ Musik bisweilen besitzen kann.
Vielleicht sind Trinidads Wal-Imitationen auf “The Subtleness of the Sea” so auch als Hommage an Brötzmann und an das fantastische ECM-Album “The Sea” von Ketil Bjørnstad zu verstehen an das “Analogies” leicht erinnert (würde ja auch gut als Fortsetzung passen mit “Moby Dick”).
Gelegentlich trifft sich das Trio zu groovenden Miniaturen, wie bei “Through That Transparent Air”, “The Wit Thereof” oder “Some Still Subtler Form”, die dann einen sehr schamanistischen Charakter besitzen. Natürlich ist “Analogies” trotzdem nichts zum tanzen. Doch diese Art von ‘Ernstem Ambient’ nach Philip Glass ist genau das Richtige für einen futuristischen interstellaren Chillout-Club. Eigenartig, betörend und wunderschön.
Besetzung:
- Jeff Düngfelder: Electronics
- Mike Brown: Contrabass
- Joshua Trinidad: Trumpet
“Analogies” ist am 4. April 2024 im Eigenverlag erschienen.
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