Hörenswert: Jesse Redwing – “Light My Way”
Den gepflegten 70er Jahre Blues-Rock von Redwing haben wir zwar schon oft gehört, aber selten so gut, wie auf diesem Album.
Der gerade und schnörkellose Sound auf “Light My Way” kokettiert zweifelsohne mit der Zeitlosigkeit des Blues. Und trotz all der Konventionen, die hier mit puristischer Liebe eingehalten werden ist es Redwing der den verwegenen Grundcharakter des Genres mit einer lapidar-frechen Attitüde auch im Jahr 2020 authentisch klingen lässt.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 23.10.20 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 29.10.20 ab 00:00 Uhr.
Geisterbeschwörung ist angesichts unserer durch-säkularisierten Gesellschaft etwas aus der Mode gekommen. Um den musikalischen Geist der der späten Sechziger herauf zu beschwören, ist vor allem viel Authentizität gefordert. Auch dann klingt das musikalische Endprodukt, aufgrund der abgedroschenen Phrasen allzu oft nach faulem Zauber. Doch Redwing schafft es mit einer liebenswerten naiven Einfältigkeit etwas herzustellen, das in all seiner Schlichtheit und Geradlinigkeit immerhin den Spirit dieser Zeit gekonnt einfängt. Dabei macht Redwing keine Kompromisse, verzichtet auf neumodische Eskapaden, sondern setzt den Fokus auf das Wesentliche: einen Sound, der eine wild -verwegene Lebenshaltung widerspiegelt.
Und obwohl Redwing dabei keinesfalls musikalische Grenzen sprengt, ist es seine individuelle Klasse, die “Light My Way” so mitreissend macht. Ausgestattet mit einer Stimme, die enorm viel transportieren kann und einem überaus amtlichen Gitarrenspiel lässt es Redwing ordentlich klappern, was den Wunsch nach einer langen Nacht in einem verrauchten Club erwachen lässt.
Retro oder schon fast Originalklang?
Natürlich erfüllt “Light My Way” dabei mit Schlagzeug und Bass grundlegend die Tradition des Gitarrentrios. Aufgenommen wurde in Sydney, Melbourne, New York und Nashville wobei die lokalen Session-Musiker ins Studio geholt wurden. Die ein- oder andere Nummer auch mit größeren Orchestrierungen eingespielt. Dabei kommen allerdings sehr zurückhaltend arrangiert, eine zweite Gitarre, eine Mundharmonika oder auch ein Bläsersatz, nämlich der von Charles Bradley mit in die Begleitstruktur. Das lässt ein Paar Nummern, wie zum Beispiel “Fade” etwas soulig klingen. Der Rest ist straighter Blues-Rock, der uns direkt ins Gesicht springt mit Ausnahme der Nummer, die uns aus diesem Album herausführt: “You Got Time” ist eine wunderschöne Blues-Ballade alter Schule nach dem Motto ‘one man and his guitar’.
Das Klangbild von “Light My Way” entspricht selbstredend auch den Idealen der Siebziger und wurde sicherlich ausgeklügelt-analog aufgenommen. Zu allem passt auch das Artwork in blassen Farben und einem Foto, das an “Dirty Harry” erinnert. Keine Frage: Die Musik von Jesse Redwing besitzt etwas Zeitloses und ist aus diesem Winkel betrachtet einfach nur Gut. In der Stimmung, ist aber eine Haltung intendiert, die gelebt werden muss. Mit fehlenden sozio-kulturellen Inhalten bleibt sonst nur der verblasste Hauch von Retro als leere Hülse übrig.
“Light My Way” ist am 16. Oktober 2020 auf seinem Eigenlabel Redwing Recordings erschienen.
Lass' uns einen Kommentar da