Hörenswert: JJ & Palin – „Meanwhile in Kolin“
Wo ist eigentlich Kolin?
Würden Tori Amos, Fiona Apple und Sophie Hunger gemeinsam ein Album aufnehmen, zu dem sie vielleicht noch Angus & Julia Stone einladen, könnte es so oder ähnlich klingen. Hier passt alles zusammen: Stimme, Text & Instrumentalisierung. Sängerin Sara Vieth und zweites Bandmitglied Hans-Jakob Mühlethaler tragen die junge Schweizer Musikszene an die Oberfläche und konfrontieren uns auf Ihrem Debütalbum „Meanwhile in Kolin“ mit individuellen Klängen und gewöhnungsbedürftigen Songs, die deshalb nicht weniger liebenswert sind.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 18.04.14 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 14.04.14 ab 00:00 Uhr.
JJ & Palin, das ist das Schweizer Duo Sarah Vieth & Hans-Jakob Mühlethaler, belebt die leicht eingestaubten Genres Jazz und Soul mit neuen Klängen und Zugängen und schafft so Brücken zur modernen Pop-Hörerschaft. Die kleinen Nationalgeschwister von Sophie Hunger machen sich beliebt mit sympathischen DIY-Videos und einem Album, das es in sich hat.
Retro-Feeling
So nah und wirklich wie möglich, lassen die zahlreichen zufällig erscheinenden Sounds und Gespräche das Album wirken und vermitteln ein Live-Gefühl, teils direkt das einer Orchesterprobe. Jazzige Noten, swingende Saxophon-Töne, Banjo und Streicher, Chöre sowie die soulige Stimme von Frau Vieth darüber gestreut, komplettieren das einzigartige Debut.
„Morning“ überrascht zum Auftakt mit Brüchen ins Moll und Falsett-Stimmen. Klatschen, Schnippen & Hauchen: Hier werden simple Methoden gekonnt eingesetzt. Piano und Banjo. Auch wenn die Grey’s-Anatomy-Verarsche am Schluss eher seltsam anmutet, geht die Reise ins böhmische Kolin nicht minder spannend weiter: Ganz und gar nicht abgedroschen machen JJ & Palin niveauvolle Musik wieder hip und beweisen lyrische wie musikalische Qualitäten. „Sara“ vereint klassische Elemente aus Jazz und Soul auf charmante Weise. Ebenso gelungen, aber etwas „moderner“, treibt „Night“ voran, bis es in einem choralen Kanon kulminiert. „Sunday“ wird von Banjo-Klängen, Bläsern und einer fast zirkushaften Erscheinungsform getragen. Auch die wunderschöne Aggression einer Fiona Apple lässt grüßen. „Who cares“ kleidet sich in ein hauchdünnes Balladensystem und auch „Good“ reiht sich ein, in die Geräuschcollagen des gesamten Albums.
Stilmix de Luxe
„Eat“ baut sich zu einem der eingängigsten Tracks von „Meanwhile …“ auf. Das Jazz-Saxophon zwingt geradezu Sophie Hunger vor das geistige Auge, während „Don’t Stop“ ganz unschuldig im Country-Style funktioniert. „Nobody Knows“ klingt nach intimem Wohnzimmerkonzert und spiegelt bestens die beibehaltene Nähe zu den Protagonisten wieder. Gehörte Atemzüge, bewusst gesetzte Pausen, und das Stakkato der Streicher schaffen eine wohlige Soundspirale.
„Thing in B Minor“ beschließt das Glücksmoment „Meanwhile in Kolin“, eben: in B Moll und zeigt, dass bei JJ & Palin die musikalische Qualität und Bandbreite zuvorderst stehen. Fast schief anmutende Töne und orchestrale Aufbausituationen ziehen sich durch den Abschlusssong, sowie durch das gesamte Album. Sie sind es u.a. auch, die Privatsphäre schenken und eine Verbindung mit dem Hörer forcieren.
„Meanwhile in Kolin“ ist am 25. Jänner 2013 bei Helsinki Records erschienen.
Lass' uns einen Kommentar da