Hörenswert: Keaton Henson – „Romantic Works“
Schlafzimmer-Klassik
Zum Sommerbeginn überrascht Keaton Henson mit seinem dritten Album, das ohne Vorankündigung für Aufruhr unter seiner Hörerschaft sorgte. Denn nicht nur ohne Ankündigung, auch gänzlich ohne Gesang und Gitarre kommt der zarte Musiker dieses Mal aus. Dafür hat er Kumpel und Cellist Ren Ford an Board geholt, dessen sanfte Cello-Töne „Romantic Works“ unterstreichen und tragen.
Als „Bedroom Classics“ bezeichnet Henson selbst die neun verträumten Stücke, die allesamt in seinem Schlafzimmer aufgenommen wurden, wie das auch schon beim Debüt „Dear …“ vor 4 Jahren der Fall war. „Romantic Works“ ist ein Album für Regentage, laue Kerzenschein-Abende und für die nachdenklicheren Stunden des Sommers.
Ein Stück im Stück
Von der Orchesterprobe bis zum sprichwörtlichen Bühnenabgang verzaubert Keaton Henson ein ums andere Mal, auch mit diesem überraschenden Werk, in dem er sich ganz und gar der klassischen Musik verschrieben hat: Cello, Holzblasinstrumente und Piano dominieren das Album.
Absurde Randnotiz: Eingespielt wurde das Ganze auf gefundenen oder billig am Flohmarkt gekauften Instrumenten.
Als „delikat und schwermütig und doch frei von Selbstmitleid“, charakterisiert die britische Tageszeitung The Guardian Keatons drittes Album, das zunächst nur auf theguardian.com exklusiv zum Streamen bereitgestellt wurde, bevor Henson es schließlich auch auf Spotify freigab.
Entstanden war das Album eher zufällig aus einer Reihe an Instrumentalstücken, deren Menge mit der Zeit ein Album zu füllen imstande war. Henson kam zwar bisher gut ohne Notenlesen oder –Schreiben zurecht, für Romantic Works brachte er sich nun jedoch selbst das Nötigste über Instrumentalisierung und Komposition bei.
Bisherige Releases
Der Sound der Vorgängeralben: Klare E-Gitarrenklänge, gespielt auf einer 12-saitigen Akkustikgitarre, dazu eine zittrige und sanfte Stimme, die für den besonderen Wiedererkennungswert sorgt und dann natürlich die Texte: Der singende Poet wirkt zu zerbrechlich für die Realität, während er herrlich aus seiner romantischen Traumwelt erzählt und die Liebe besingt – das war auf den Vorgängern „Dear …“ (2010) und „Birthdays“ (2013) so und das ist bei dem Überraschungsrelease “Romantic Works“ eben so, wenn auch auf gänzlich andere Weise.
Es lebe der retroromantische Nerdismus
Determiniert und romantisch zeigt sich Keaton Henson nicht nur in seinen Lyrics. Der junge britische Künstler scheint zudem kein Interesse an der Wirklichkeit zu haben und mag seiner Hörerschaft scheinbar liebend gerne ein Rätsel bleiben. Verständlich, wenn man bedenkt, dass er unter starkem Lampenfieber sowie unter Panikattacken leidet und daher nur selten auftritt. Der medienscheue Musiker, der Social-Media-Kanäle fast genauso hasst, wie Interviews und die Bühne, schafft die Brücke zwischen Nähe und Distanz wie kaum ein anderer. Zudem sieht er aus, wie ein klassischer Poet, mit seinem langen Bart und den schulterlangen Haaren, die er fein säuberlich hinter die Ohren geklemmt trägt, während er uns wortlos und sanft darauf hinweist, dass Romantik wirklich funktioniert, wenn man nur die Mühen nicht scheut – um diese Empfehlung mit einem Wortspiel zu beenden.
Romantic Works ist am 14. Juni 2014 exklusiv als Stream auf theguardian.com erschienen.
Lass' uns einen Kommentar da