Hörenswert: Kreisky – „Adieu Unsterblichkeit“

Kreisky verzichten auf „Adieu Unsterblichkeit“ getrost auf Gefälligkeiten. Also, nicht, als ob sie das jemals gemacht hätten, aber so klar und scharf und pointiert der Situation entsprechend, konstatiert die beste zeitgenössische Austropopband gut wie nie die Menschen, das Leben und die Welt.
Spoiler: Alle Menschen sind sterblich.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 31.10.2025 ab 14:06 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 6.11.25 ab 00:00 Uhr.
Einer sagt yes, einer sagt no
Das Beste an Kreisky ist eigentlich das klassische Rock-Line-Up, ein Manifest für den Lärm: Schlagzeug (laut: Klaus Mitter), Bass (auch laut: Helmuth Brossmann), Gitarre (sehr laut: Martin Max Offenhuber), Gesang (episch: Franz Adrian Wenzl aka Austrofred). Kreisky wurden 2005 in Wien gegründet und benannten sich nach dem österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky – eine ironische Geste, beißend, kritisch, politisch, wie ihr Verhältnis zur österreichischen Gegenwart.
Was Kreisky in ihren bisherigen 20 Jahren in diesem definierten Spielfeld der Kunst mit mittlerweile acht Alben präsentiert, ist nichts Geringeres als die ehrliche, echte und ungeschönte Seele der (österreichischen) Menschheit in all seiner Widersprüchlichkeit, seiner Inkonsequenzen und all seinem Radau. Kreisky seziert Musik und Gesellschaft, treibt sie durch Zynismus, bis sie durch die Liturgie des Lärms vielleicht wieder Mensch wird.

Ich werde es nicht gewesen sein
Der monotone Bass, die minimalistischen sphärischen Synths, dem Austrofred seine dringliche, beschwörende Stimme und die Themen, die so zutiefst menschlich und so zutiefst dreckig und twisted sind. Alles würde perfekt als Soundtrack eines Alpenthrillers oder der klassischen Achziger-Horrorfilmen fungieren. Kreiskys zugespitzter Kunst-Rock, die Bissigkeit der Lyrics, ohne jemals vermessen zu sein und die existenzielle musikalische Inbrunst eröffnen immer wieder Blicke auf das, was man eigentlich lieber nicht sehen möchte. So wie den Untergrund, in dem die meiste Arbeit erledigt wird, damit oben alles gut läuft. Den ganzen Dreck dann doch zu Gesicht zu bekommen, möchte man dann lieber vermeiden. Und dann beginnt esmit einem Grollen, so als würde sich etwas unter der Erde zusammenziehen, kurz bevor der Asphalt reißt. Wo andere Bands noch versuchen, Schönheit im Zerfall zu finden, gräbt Kreisky tief und wirft uns das kollektive Unbehagen Schaufel für Schaufel vor die Füße.
Auf „Adieu Unsterblichkeit“ sogar in regelmäßig wechselndem Register; von Wut zu Wehleidigkeit, von Mathrock zu Sixties-Sound, von Pop-Abstraktion zu Eskalation. Wie im richtigen Leben. Nach „Blitz“ (2018) in traditionell rotzigem Bandsound in Richtung Pop und dem optimistischen, knallbuntem und jugendlichem Coming-of-Age-Album „Atlantis“ (2021) ist „Adieu Unsterblichkeit“ die Summe der dunklen Geheimnisse, der Geschichten des Schlechten, den Kipppunkten des Menschlichen. Ein Album wie selbst ein unendlicher Krimi, bei dem man von Anfang an weiß, dass der Mörder nicht gefasst wird.
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Mehr Informationen(Kreisky – Die Pedale)
Geh weg mit deinen Bergen
ich sehe Gott sonst nicht
Der Titeltrack „Adieu, Unsterblichkeit“ kommt anfänglich leicht und unbedarft daher, aber langsam merkt man die Risse im Sein, die Fehler des Funktionierens: „Ich hatte mal ein gutes Gehirn / jetzt denkt es immer dasselbe“. Depressive Verstimmung wird zur Hetze, zum Ausstieg, zum Abhanden-kommen. Ausweglosigkeit mit verzerrten Gitarren. „Fressen“ bringt Kannibalismus-Vibes, die die latent bedrohliche Unsicherheit zwischenmenschlicher Beziehungen mehr als metaphorisch definiert, „Ein sauberes Hemd“ sägt mit wabernden Synths zudem hart an den Nerven. Kreisky treffen dieses diffuse Gefühlt der Unwirklichkeit, als wäre die Welt zwar da, aber sie scheint nicht mehr zu funktionieren.
„Was für eine Welt“ erklingt im gleichnamigen Tatort von 2023 und taucht ebenso wie die Handlung tief ein in die Abgründe hinter den Hausfassaden und Gartenzäunen. Eine Realität wie ein Albtraum, auf dessen Bühne das Aktuelle verhandelt wird. „Die Pedale“ ist ein Roadmovie, ein Fluchtversuch aus der Leistungsgesellschaft, bei dem man in jeder Sekunde einen Hit-and-Run erwartet, weil die Stimmung und die Erzählung so angespannt sind, unter anderem die Bandnamensuche im Zuge der Geschichte etwas außer Kontrolle gerät und am Ende übergroßes dröhnendes Schweigen im „Bruckner-Finale“ (sagt Bassist Brossmann) steht.
Eine blöde Welt aber trotzdem die einzige
Kreisky sind 2025 wütender, kontrollierter, kompromissloser. Schon das trägt eigentlich zur allgemeinen Beruhigung bei. Wäre dem nicht so, müsste man sich ernsthaft Sorgen machen. Denn zwischen Noise, Rock, Post-Punk und Theatermusik schaffen sie jenes Klangbild, das so typisch österreichisch ist: schwer, ironisch, schön und bedrohlich.
- Ein fertiges Leben wartet hier auf dich:
Am 28.11.2025 spielen Kreisky in der ARGEkultur!
„Adieu Unsterblichkeit“ von Kreisky ist am 17. Oktober 2025 bei Wohnzimmer Records erschienen.










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