Hörenswert: Marcus Miller – “Afrodeezia”
Lässige Grooves, ausgefeilte Kompositionen und eine atemberaubende Technik. Das sind die Zutaten, aus denen dieser Ausnahmebassist sein aktuelles Album gebastelt hat.
Zudem versucht Miller auf “Afrodeezia” neue Wege zu gehen, indem er westafrikanische oder auch karibische Rhythmen neu Interpretiert und dafür mit diversen Gastmusikern kooperiert. Herausgekommen ist ob seiner gefälligen Glätte und seines unverkennbaren Sounds ein klassisches Marcus Miller Album.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 15.05.15 ab 14:08 Uhr, Wh am Donnerstag, 21.05.15 ab 00:00 Uhr.
Und das ist auch gar kein Nachteil: Kaum schlägt Miller die ersten Tön auf seinem E-Bass an, weiß der Kenner mit wem er es zu tun hat: Dieser Sound hat das Album „Tutu“ geprägt, das Miller 1986 für Miles Davis produziert hat. Mit diesem Sound ist er berühmt geworden und unweigerlich muss man immer an dieses Album denken, sobald man diesen Bassisten (und Multiinstrumentalisten) hört. Neben Stanley Clarke war Miller in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts der erste Bassist, der diesem Instrument einen Leadsound verlieh und es aus der Sklaverei des reinen Begleitinstruments befreite. Schon längst sind die Kompositionen des 1959 in Brooklyn geborenen Musikers legendär. Er arbeitete bereits mit Musikern wie Michael Jackson, Herbie Hancock, Wayne Shorter, McCoy Tyner, oder Frank Sinatra zusammen und produzierte für diese eine Vielzahl von Alben.
Aufgrund dieser Erfolgsgeschichte, die sicher ihresgleichen sucht, kann Marcus Miller jetzt natürlich machen, was- und mit wem auch immer er möchte. Bei “Afrodeezia” handelt es sich um Millers vierzehntes (!) Soloalbum und es gibt momentan wohl kaum einen produktiveren Jazzmusiker. Zweifelsohne besitzt “Afrodeezia” einen Impetus, den der Laie wohl als weltmusikalisch bezeichnen würde. Das Album, so ist zu lesen, sei eine musikalische Spurensuche, die Miller entlang der alten „Sklavenroute“ nach Europa, Westafrika, Südamerika und in die Karibik geführt hat. Hier zolle er seinen afrikanischen Vorfahren Respekt. Um diese Idee auch musikalisch wiedergeben zu können holte Miller eine Vielzahl von rennomierten Gastmusikern in diverse Aufnahmestudios (denn aufgenommen wurde nicht nur in den USA). So ist auf den elf Titeln von “Afrodeezia” ab und an eine Kora, eine Gimbri, eine Steeldrum, afrikanische Chöre und diverse afrikanische sowie lateinamerikanische Percussion zu hören. All das lässt das Album recht neu und für Millers sonstiges Schaffen recht ungewöhnlich klingen:
„Es ist meine Musik, die man auf ‚Afrodeezia‘ hören kann, sie reflektiert, wer ich heute bin: ein Musiker, der allem gegenüber offen und stets wachsam ist und der seine wahre Persönlichkeit vor ungefähr zehn Jahren entdeckte. Aber ich muss mich immer noch entwickeln. Ich bin auf die jungen Musiker meiner Band stolz: auf den Saxophonisten Alex Han, den Gitarristen Adam Agati, Keyboarder Brett Williams und Drummer Louis Cato. Sie bilden den Nukleus von ‚Afrodeezia‘. Um sie herum kreisen Solisten aus all den Ländern, die wir gekreuzt haben. All das, was sie eingebracht haben, verhalf meiner Musik zu einer neuen Dynamik. Es gibt Klänge, die man dort noch nie zuvor gehört hat: von einer Kora, einer Gimbri und jeder Menge Perkussionsinstrumente…“
Allerdings bleibt Millers Klangcharakteristik dann letzten Endes doch die gleiche: Hier regiert die Perfektion eindeutig über die Intention. Im Vordergrund steht der schöne Ton, der das Album etwas steril klingen lässt. Doch wenn man in der Lage ist über einige Stellen hinweg zu hören, die man nur als kitschig bezeichnen kann (oder der völlig überflüssigen Coverversion des alten Temptations-Klassikers „Papa was a rolling stone“), verführt einen “Afrodeezia” dann doch mit all seinem Facettenreichtum und der atemberaubenden Virtuosität der Musiker. Bei Miller weiß man dann doch, was man bekommt. Aber nicht nur E-Bassisten werden mit dem Studium dieses Albums viel Spaß haben. Auch die Freunde des gediegenen groovigen Jazz mit Weltmusikflair kommen hier voll auf ihre Kosten.
“Afrodeezia” ist am 13. März 2015 auf Blue Note erschienen.
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