Hörenswert: Maurice Louca – „Elephantine“
Achtung Kunst. Der aus Kairo stammende Gitarrist Maurice Louca kreiert auf seinem dritten Album Klangwolken, die wie die Vertonung eines langen Traumes klingen. Mit aller Konsequenz wählt Louca einen ganz eigenen narrativen Ansatz, der dem Fantastischen viel Raum gibt und mit stets wandelnden Bezugspunkten arbeitet. Die stete Verwandlung der mal düster-expressiven, mal sphärisch-magischen Erscheinungen schafft dabei eine gewaltige Spannung, die „Elephantine“ etwas Außerordentliches verleiht.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 31.05.19 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 06.06.19 ab 00:00 Uhr.
Die Assoziationen, die Maurice Louca mit diesem sehr experimentellen, jazzigen, aber phasenweise auch originär orientalisch klingenden Album weckt, werden wohl ganz unterschiedliche sein. Aber klar ist eines: hier werden wahrlich traumhafte Geschichten erzählt, die auf ganz unterschiedlichen Ebenen fantastische Wendungen nehmen, ihr Erscheinungsbild ändern, sich manchmal bedrohlich anschleichen, explodieren, im Sande verlaufen oder auch in aller Ruhe von schönen Orten fabulieren. Anfangs mag das Ganze vielleicht etwas wirr wirken, doch bald ist klar, dass es sich um eine narrative Struktur handelt, die aufgrund ihrer Besonderheit vielleicht etwas an Andrei Tarkowski’s „Der Spiegel“ erinnern mag.
Auch musikalisch lässt sich „Elephantine“ nur schwer greifen, da von ‚Doom-Jazz‘ bis ‚Pop‘ so einiges an Bezeichnungen vergeben werden könnte. Ebenso verhält es sich mit der Orchestrierung, die mal kammermusikalisch, mal recht orchestral von Stück zu Stück wechselt. Eingespielt wurde „Elephantine“ 2017 in Stockholm. Ist erst einmal die Erkenntnis gekommen, dass es sich bei all dieser Unschärfe und Offenheit um gewollt handelt, ist es faszinierend zu hören, wie genial dieses Ensemble aus zwölf Gastmusikern mit aller improvisatorischen Freiheit eine unglaublich homogene Klangsprache erzeugt.
„Elephantine“ ist ein unglaubliches, einigen sicherlich zu ausdrucksstarkes Album, das auf knappen, aber prall gefüllten 38 Minuten eine Art Programmmusik ohne Programm kreiert, nur Wegweiser liefert. All jenen, denen die komplette Geschichte zu spannend ist, seien die fantastisch sphärischen Nummern empfohlen, wie etwa der Titeltrack (der Louca in die Nähe von Sun Ra schiebt), oder die wunderbar geheimnisvoll bluesig-groovigen Nummern wie z.B. „The Palm of a Ghost“ mit Nadah El Shazlys sehr schönem Bel Canto.
Vielleicht lohnt sich sogar etwas Recherche, da Elephantine der Name eines Ortes in Ägypten ist, dessen Geschichte über 4000 Jahre zurückreicht und nicht zuletzt aufgrund seiner Kultstätten inzwischen bei Archäologen berühmt ist, was uns sicherlich um ein paar Assoziationen bereichert.
„Elephantine“ ist am 1. Februar 2019 auf Northern Spy erschienen.
Personel
- Tommaso Cappellato (Drums/Percussions)
- Ozun Usta (Drums/Percussions)
- Elsa Bergman (Bass)
- Pasquale Mirra (Vibraphone)
- Piero Bittolo (Baritone Sax/Alto Sax/Bass Flute)
- Anna Högberg (Alto Sax)
- Rasmus Kjærgård Lund (Tuba)
- Isak Hedtjärn (Clarinet/Bass Clarinet)
- Nadah El Shazly (Vocals)
- Natik Awayez (Oud)
- Ayman Asfour (Violin)
- Maurice Louca (Guitar/Piano)
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