Hörenswert: Milky Chance – „Sadnecessary“
Wenn man „Sadnecessary“ von Milky Chance das erste Mal hört ist man sich sicher, hier einen Musiker aus den USA oder England zu hören – Klassisches Singer/Songwriting, Folk und dominante Gitarre, Reggae-Färbungen, ein ausdifferenzierter Sound von elektronischen Bässen und eine Stimme, die auffällt. Tatsächlich kommt Milky Chance aber von gar nicht so weit her – aus dem deutschen Kassel. So wird Milky Chance momentan wohl gerade das, was Anfang des Jahres Jake Bugg war – the next big thing.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 25.10.13 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 31.10.13 ab 00:00 Uhr.
Bei Kassel fällt einem erst die documenta, die Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts und die Wilhelmshöhe ein. Und dann kommen zwei 20-Jährige daher und machen mit relaxtem und gleichzeitig unglaublich dynamischen Sound auf sich aufmerksam. Hinter dem bildhaften Bandnamen Milky Chance verbirgt sich Clemens Rehbein, der Typ mit den wirren Haaren.
Gemeinsam mit Philipp Dausch absolvierte er 2012 die Jacob-Grimm-Schule in Kassel, was in diesem Kontext zwar absolut keine Rolle spielt, irgendwie aber doch in die Detailvielfalt von Milky Chance passt. Gemeinsam begannen sie ihre musikalische Karriere bereits mit 12 im Jazz-Quartett Flown Tones. Und das ist schon zu merken, hinsichtlich der Qualität, der Authentizität und des Könnens, das auf „Sadnecessary“ seine Vertonung findet.
Rehbeins Stimme scheint nicht einem charismatischen Jungspund zu gehören, sondern einem altersweisen, abgeklärten Kettenraucher, der weiß wovon er redet, bzw. singt. Die Mischung aus Electro, Folk, Indie und Singer/Songwriter erzählt mit den starken Lyrics ihre Geschichten von ganz allein – von Sonne und Mond, vom Tanzen, von der Liebe und ihrem Zerbrechen: ‚Honey I know hey when we walked arm in arm / I felt like we can throw away the falseness of our past / And I know too its been the hardest day for you / Lets throw them out the window / thats what those lovers do‘ („Down By The River“).
Wie bei jede gute Platte und schon allein um dem Namen gerecht zu werden, findet sich auf „Sadnecessary“ auch die richtige Menge an Melancholie und Traurigkeit wie z.B. bei „Running“, „Feathery“ oder „Fairytale“ – um einen dann gleich wieder cool und clubtauglich in die Höhe zu bringen (zB. „Sweet Sun“).
Das Debütalbum wurde quasi aus dem Stand und in bester Do-It-Yourself-Manier veröffentlicht, beim Label Lichtdicht Records, das von netten Freunde eigens für Milky Chance gegründet wurde – solche Freunde möchte man auch haben. Aber das war nur die logische Folge, der Song „Stolen Dance“ trieb schon vor der Veröffentlichung sein Unwesen in der digitalen Welt, ohne wirkliche Promotion kam es zu über 2 Mio. Klicks auf Youtube – sowas nennt man dann wohl Selbstläufer.
Nichts desto trotz spricht dies nicht auch gleich für glatte und gefällige Mainstream-Musik, im Gegenteil: Milky Chance überzeugt durch Aufrichtigkeit. Könnte Musik einen Wahrheitseid sprechen, wäre „Sadnecessary“ der Soundtrack dazu. Aber, aufrichtige Popmusik? Gibt es scheinbar noch, und sie ist auch noch verdammt gut.
Das Resultat aus Jugendhaftigkeit, cooler Clubmusik und entspannten Reggaesounds, außergewöhnlichem Stilmix und einer markanten Stimme bleibt einfach im Ohr hängen. Es ist Musik, die deine Eltern genauso wie deine kleine Schwester mögen, auf die dein Hippie-Freund schwört und zu der die Hipsters im Club shaken gehen. So oder so, man muss Milky Chance einfach mögen, es ist traurige Musik mit Sonne im Herzen.
„Sadnecessary“ von Milky hance ist am 18. Oktober 2013 bei Lichtdicht Records erschienen.
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