Hörenswert: Modern Nature – „The Heat Warps“

Wie ein freier, leichter Jam in den Siebzigern, zwischen Art-Rock, Avantgarde-Folk und Psychedelic, dem wir heimlich zuhören.
Die Briten Modern Nature veröffentlichen mit „The Heat Warps“ ein organisches Album von gradliniger Wendung und erzählt von Formungsprozessen, die angesichts brennender Zustände ihr Bestes geben könnten.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 19.9.2025 ab 14:06 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 2.10.25 ab 00:00 Uhr.
we take the mountains
we take the fences
we take them in
our proud offences
Ja wo soll man anfangen. Modern Nature das sind Mastermind, Gitarrist und Sänger Jack Cooper, Jim Wallis (Schlagzeug) und Jeff Tobias (Bassgitarre). So klar war das nicht immer, Cooper hat noch ein musikalisches Vorleben bei The Beep Seals, Mazes und Ultimate Painting und kommentierte zum Debüt-EP-Release „Nature“ von Modern Nature 2019: „Die Band ist so neu, dass es schwer zu sagen ist, wer dazugehört und wer nicht“. Ein bisschen so, als wäre die Notwendigkeit von Modern Nature seiner Gründung bereits vorausgeeilt wäre.
Und ähnlich non-linear scheint die Geschichte der Band zu sein: In damaliger Besetzung startete die Band zu Pandemiezeiten noch das Improvisationsprojekt „Cycles“ und das jazzige Mini-Album „Annual“. 2021 veröffentlichte Modern Nature das Projekt „Island Of Noise“ und ein Buch mit Beiträgen von unter anderem Merlin Sheldrake und dem für den Booker Prize nominierten Dichter Robin Robertson. 2023 wurde das Album „No Fixed Point In Space“ veröffentlicht, das sich in Richtung Free Jazz und moderner Kompositionsmusik bewegte und sich dafür die besten Avantgarde-Kammermusiker*innen holte: Apartment House, Chris Abrahams von The Necks und die legendäre Sängerin Julie Tippetts.
There’s life there / She’s just starting again
„The Heat Warps“ ist eine bewusste Abkehr, eine Stilbrechung weg von den fast klassischen Kammermusik-Arrangements hin zu einer direkten Struktur, ohne sich begrenzen zu müssen. Ein Album wie eine elegante und leichtfüßige Beruhigung, eine im warmen Abendlicht glühende und stabile Brandmauer gegen Chaos. In feiner Zurückhaltung und gleichzeitiger Präzision spinnen Modern Nature sanften Avantgarde-Folk im schimmernden Zusammenspiel von Groove und impressionistischem Songwriting.

Wie aus einem Winterschlaf erwacht, ist Modern Nature nach Coopers Umzug aufs Land und Familiengründung nun ein Medium des Neuen, eines Kollektivismus, der unsere Beziehung zur Natur und die Last des Bewusstseins weiter erforscht. Zielstrebiger und direkter mit neuem Dual-Gitarrensound und Tara Cunningham als neuer Gitarristin. Eine hochorganische Verbindung von Stilen und musikalisch-handwerkliches Feingespür mit kreativem Rausch.
„Die Gemeinschaft, um die wir unser Leben aufgebaut haben – Künstler, Musiker und Menschen, die sich diesen Dingen als Kommunikationsmittel zuwenden – hat Mühe, sich mit ihrer Rolle in einer zunehmend grausamen Welt zu arrangieren. […] Um uns herum geschehen erstaunliche Dinge, und es liegt an Gemeinschaften wie der unseren, uns noch stärker für die Dinge einzusetzen, an die wir glauben. Es fühlt sich an, als wäre es Teil der Lösung, Teil einer Gruppe wie Modern Nature zu sein und ein Album zu machen, das offen, optimistisch und ambitioniert ist.“
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Mehr InformationenFail we may, sail we must
„Radio“ ist die schmerzvolle Sehnsucht nach dem, woran man am meisten leidet „There’s a fire all around / there’s a fever in the air“. Und dass es der Kapitalismus ist, an dem wir alle leiden, klang in Slowcore noch nie herzzerreißender. „Glance“ lässt die Gitarren summen und den Optimismus wie Südwind über Freiheit der Täler wehen, bevor der emotionale Minimalismus in „Jetty“ und „Zoology“ wieder auftaucht und das Album dem Verlorenen einen auf zerbrechlichen Melodien getragenen, aber stabilen Weg durch das Dickicht der Welt gibt. „Source“, inspiriert von den Desinformationen, die die Unruhen im Vereinigten Königreich 2024 anheizten, ist das Gegengewicht zu den Riots und ist gutartige Aufruhr hin zu einem Miteinander anstatt von Störung: „We’re singing in the lanes, we’re overtired / it feels new to me, it’s all history / there’s me standing in the riot“. Der transzendente Abschluss des Albums „Totality“ ist geprägt von Coopers USA-Aufenthalt und der totalen Sonnenfinsternis 2024 in New Mexico, mit Hunderten von anderen Menschen, die in den Himmel schauen: Weit aufgerissene Schönheit in zerbrechlicher, kollektiver Melodik.
„The Heat Warps“ schleicht sich langsam ein, umhüllt und wird erst nach und nach zur bewussten Wahrnehmung. Eine modern nature, die erst nach Überwindung der Selbstverständlichkeit die Aufmerksamkeit und emotionale Offenheit belohnt.
„The Heat Warps“ von Modern Nature ist am 29. August 2025 bei Bella Union erschienen.










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