Hörenswert: Ruth Lyon – „Poems & Non Fiction“

Ruth Lyon legt mit „Poems & Non Fiction“ ein Debüt hin, das im Schatten ihrer Biografie wurzelt und im Licht ihrer Stimme erblüht. Mit schönster Ruhe und eigentlich schaudernden Geschichten dreht dich das Album um Verlust, Identität und Veränderung als Konstante um Sprachbilder und Metaphern, die doch mit minimaler Instrumentierung und Lyons düsterklarer Stimme ziemlich deutlich zueinanderfinden.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 1.8.2025 ab 14:06 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 7.8.25 ab 00:00 Uhr.
Darkness will you wait?
Produziert von John Parish (PJ Harvey, Aldous Harding), geht Lyons Klangwelt einher mit Pop, Indie-Folk, barocker Intimität und mit feinster Poesie. Einst Fiddlespielerin auf einem Bauernhof in North Yorkshire, leidet die Songwriterin seit sie 15 ist an Juveniler Rheumatoider Arthritis und sitzt seit ihrem 21. Lebensjahr im Rollstuhl.
Nach gemeinsamen Arbeiten mit Holy Moly & The Crackers begann sie ihre Solo-Karriere mit einigen Singles und 2022 mit der EP „Direct Debit To Vogue“, Auftritten auf dem Great Escape und dem Glastonbury Festival – und der Power‑100‑Liste für einflussreiche Künstler*innen mit Behinderungen.
Konsequent anders
I have surprised myself with the raw honesty in these
songs and I hope these stories inspire healing and growth
Weil nichts sicher ist, nur das Bewusstsein, das die meisten Menschen verdrängen: Das Leben ist endlich und zum Teil relativ gefährlich. Da aber z‘ Tod g‘fiacht a g‘storm ist, begegnet Ruth Lyon dem Monster Leben mit einer Ruhe, die selbst die Höllenhunde zähmen könnte. Man muss nicht kämpfen, Stärke zeigen, sich erheben und laut sein – man kann sich auch einfach über den vergangenen Sommerregen freuen, der verwelkten Blüten gedenken und sich fragen, was am nächsten Tag wohl passieren wird. Mit kristallklarer Stimme und wahlweiser Dringlichkeit. Kammerpop meets versponnene Klangwelt.
You are much sharper than a milestone, baby
Auf „Poems & Non Fiction“ baut Lyon dies mit Dulcimer, Saxofon, pulsierenden Piano-Rhythmen, Klarinette und Streicher aus zu einem wundervoll inszenierten Setting zwischen samtenen Ecken, feinen Nebeln aus fremden Eindrücken und Empfindungen für Menschen, die ohne Behinderung leben und immer in dieser speziellen Melancholie zwischen dem verletzlichen Duft vergangener Tage und der aufkommenden Frische des nächsten Morgens.
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Mehr Informationen„Artist“ eröffnet die Dämmerung mit gebrochenem Akkordeon und Glockenschlag, Identität und Religion, die Kernthemen die sich durch das Album ziehen, werden zu Fragen des Daseins und ihre Abwesenheit zu einer mystischen Rettung – oder anders herum? „Wickerman“ verbrennt rituell die Überbleibsel des Winters und treibt die letzen Reste einer vergangenen Dunkelheit mit dem Licht des Frühlings aus, in „Books“ beschreibt Lyon das Kommen und Gehen als solches als das Kollektiv des Lebens, manchmal schleppend und schleifend, manchmal umarmend wie ein Gedicht auf der Suche nach seinem Sinn, der Albumtitel entspringt einer Zeile aus dem Song: ein Lebensmuster.
„Perfect“ poppt sich ironisch, zynisch und widersprüchlich in drei Minuten durch die moderne Alltagsrealität, die einen in ziemlich schädlich Abhängigkeiten zwängt und zu Promis unseres eigenen Lebens machen – immer im eigenen Mittelpunkt aber allen anderen ist das halt relativ wurscht: „We’re all celebrities of our own life, worshiping at the alter of our egos“
When all is said this won’t be me forever
„Poems & Non Fiction“ ist eine Sammlung von Anstößen: zur Heilung, zu Wachstum, zur Widerständigkeit und eine Einladung zur Verwandlung. Ruth Lyon zeigt, wie man aus Brüchen Geschichten schreibt und darin Realität findet. Denn nur diese findet wirklich statt.
„Poems & Non Fiction“ von Ruth Lyon ist am 13. Juni bei 2025 bei Independent erschienen.










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