Hörenswert: The Amazons – „21st Century Fiction“

YEAH, Gitarren & Devils Hands!
Ein bisschen dramatisch und ziemlich roh, Hard- und Alternative Rock at it’s best und eine kleine Brise Krise: 21st Century Fiction von The Amazons ist Rock-Opera, intimes Clubkonzert und Introspektion für Classic Rockheads in einem.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 30.5.2025 ab 14:06 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 12.6.25 ab 00:00 Uhr.
There’s something in my blood
Von Rockbands ist man sensible Themen ja eher nicht so gewohnt, auch wenn Bands wie VAST, Muse oder White Lies in den Nullerjahren den Versuch starteten, sich mit anderem auseinander zu setzen als mit dem Teufel und dem standardmäßigem Leiden und dem argen Lifestyle. The Amazons Frontmann Matt Thomson beschreibt den zentralen Mythos von 21st Century Fiction als die Geschichte „eines Mannes Ende 20, der mit unrealistischen Idealen von Männlichkeit und einem Gefühl der unerfüllten Versprechen kämpft“, umgeben von „einer Welt, die vom Chaos geplagt ist.“
Ein Bekenntnis zur Selbsthilfe und jener für andere, untermalt mit treibenden Drums, breit angelegten Hymnen und neben der kraftvollen Stimme von Thomson, in Dosen, damit es für die Gänsehaut reicht, chorale Soundflächen, in zurückhaltender Opulenz. Das wir sowas 2025 noch hören dürfen!
The Amazons aus Reading, England, das sind derzeit Matt Thomson (Gesang), Chris Alderton (Gitarre) und Elliot James Briggs (Bass). Gegründet 2014, erst ein paar Clubgigs, dann ein paar CDs im Supermarkt verteilt. Der Rest ist Geschichte, mit sehr viel Verstärker und Festivalstaub.
Produziert von Catherine Marks, gefeiert von BBC & MTV, schaffte es ihr Debütalbum The Amazons (2017) direkt in die britischen Top 10 – und die Band mitten hinein in eine neue Rockgeneration. Future Dust (2019) und How Will I Know If Heaven Will Find Me? (2022) zementierten ihren Ruf: laut, ehrlich, immer auf Kante.
Dass The Amazons mittlerweile zu den Schwergewichten der britischen Rockszene zählen, liegt auf der Hand. Die drei Top-Ten-Alben, unzählige ausverkaufte Shows, zuletzt eine intime UK-Tour im Dezember 2024 – das Fundament ist solide.
(Panic)
Mit der Faust gegen die eigene Fiktion und für ein totgeglaubtes Genre, und das so richtig geradeaus. 21st Century Fiction ist, ohne Phrasen dreschen zu wollen, gleichzeitig dreckig und zart, ein Rockstar mit Existenzkrise, ein flauschiger Stromschlag. Vollgepackt mit Riffs, durchzogen von Unruhe, getragen von der schieren Lust, sich musikalisch selbst wieder zu (er-)finden.
Kompromisse gibt’s hier nicht, dafür wuchtige Beats, die alles niederreißen – es geht düsterer weiter als bisher, der Indie der letzten Alben macht Platz für mehr Mut: Mit den Songs befreite sich Thomson nicht nur aus seiner Depression, sondern schrieb sie auch für eine ganze Generation junger Männer, die mit denselben Problemen zu kämpfen haben.
Im Opener Living A Lie kreist Aldertons Gitarre über den Versen: „I can’t dream, I can’t hide, I can’t look in your eye. Cos it’s clear to me that we’ve been living a lie”. Night After Night, die reine Rocknummer, hauptsächlich angetrieben von Elliot Briggs‘ kraftvollem Bass. Shake Me Down ist ein beinahe sakraler A-cappella-Moment, bevor Wake me up wieder mit klassischem Hardrock und Gitarren übernimmt und als einsames Riff sich tastend vorarbeitet um im emotionalen Ausbruch zu explodieren: „Yeah the daylight’s fading, and I can’t keep waiting.“ Immer wieder wechselt die Musik plötzlich die Stimmung, zwischen Salon, Stadion und Pitch Black Night.
I caught a fever
John bought a Gun ist eine unheimliche Ballade mit ungewissem Ausgang: Entfremdung, Gewalt und Kontrollverlust zünden eine musikalische Brandbombe mit wuchtigem Refrain. Und dann wirds mit Love is a dog from hell so richtig rasant, im Uptempo jagen The Amazons mit ihren Gitarren die Höllenhunde, dass es eine reine Freude ist.
21st Century Fiction ist die Energie der früheren Tage, das Herzblut einer Generation, ein Album, dem das Genre Rock noch genügt. Es ist gewachsene Rock-Erfahrung, zeitlos ins Jetzt übersetzt, die vielleicht einen guten Weg weisen kann. No fiction – that’s a fact.
„21st Century Fiction“ ist am 9. Mai 2025 bei nettwerk erschienen.
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