Hörenswert: Sly and Robbie Meet Dubmatix „Overdubbed“
Sollte es jemals so etwas geben wie einen Dub-Reggae-Science-Fiction, wäre „Overdubbed“ wohl der ideale Soundtrack dafür. Zwar erinnert der Dub-Reggae mit seinen abgefahrenen Sounds schon immer an den Klang ferner Welten. Doch was diese göttliche Rhythmus-Sektion uns aus dem Pantheon des Reggae schickt, ist futuristischer Heavy-Dub der feinsten Sorte, vollendet vom kanadischen Produzenten Dubmatix, bei dem die Originalspuren nochmals unter die Regler gekommen sind.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 02.02.18 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 08.02.18 ab 00:00 Uhr.
Die große Bedeutung der Rhythmus-Sektion unterstrich schon der Jazz-Saxofonist Charlie Parker mit seinem Ausspruch: „women and rhythm-section first“. Folglich kann eine Band nicht mehr allzu viel falsch machen, wenn Bass und Schlagzeug harmonieren und ein musikalisches Fundament liefern, auf dem die Musik aufgebaut werden kann. Die Geschichte der Musik ist voll von solch grandiosen Rhythmus-Sektionen, die nicht zuletzt auch den Solisten und Vokalisen mit zu ihrem Ruhm verholfen haben, es selbst aber nie zu einer solchen Bekanntheit wie die Front-Frauen und Männer gebracht haben. Dazu gehören beispielsweise Elvin Jones und Jimmy Garrison im John Coltrane Quartet. Ohne die beiden wäre es John Coltrane wohl nicht möglich gewesen, diese Art von Musik zu machen.
Sly and Robbie sind eine der genialsten Rhythmus-Sektionen überhaupt, und Reggae-Fan hin oder her: Es gibt wohl kaum einen Liebhaber moderner (Pop)Musik, der die beiden noch nicht auf irgendeiner Produktion gehört hat. Angefangen bei Black Uhuru über Peter Tosh, Gregory Isaacs, Culture bis hin zu Produktionen von Lionel Richie, Grace Jones und KRS-One. Bei dieser Aufzählung wird schon deutlich, dass an Sly Dunbar(Schlagzeug) und Robert Shakespeare (Bass, Keyboard) keiner vorbei kommt. Sie prägten den Sound des Reggae ab den Siebziger Jahren maßgeblich mit. Nach Jahrzehnten des Zusammenspiels sitzt jeder Ton, jede Phrasierung. Blindes Verständnis herrscht nicht nur im Groove-Bereich, sondern auch in den Produktionen dieses legendären Duos.
Stellvertretend für die Kommerzialisierung des Reggae steht wohl der Wandel der Formation Inner Circle, die sich vom „Heavyweight Dub“ (1978) hin zu „Games People Play“ (1994), einer Dudel-Dudel Chart-Pop-Reggae-Band entwickelten.
Inzwischen ist das global gewordene Lager gespalten: Einige verstehen sich als Bewahrer der Tradition im Roots-Reggae-Sinne und meinen, sich einen jamaikanischen Akzent antrainieren zu müssen, um ihrer Musik mehr Authentizität zu verleihen. Dagegen hat Dub-Reggae mit all seinen Spielarten schon längst Einzug in die Tanzklubs der ganzen Welt gehalten. Frei von irgendeinem Purismus und meist auch von einem religiösen Überbau ist hier angesagt, was gut klingt und somit auch Anleihen bei anderen Musikrichtungen durchaus legitimiert.
Zu dieser Art gehört auch „Overdubbed“, die Ko-Produktion von Sly and Robbie mit dem kanadischen Produzenten und Multiinstrumentalisten Dubmatix. Wunderbar spacig, heavy-dubbig, geht es durchaus futuristisch, aber immer megagroovig bei fast allen Tracks direkt auf die Tanzfläche. Dabei kommen die Clubsound-Anleihen der Musik durchaus zugute und wirken keinesfalls aufgesetzt. Sowohl am Rechner, wie auch bei der Auswahl der mitwirkenden Gastmusiker hat Dubmatix extrem viel Fingerspitzengefühl bewiesen und das Album zu dem gemacht, was es ist: Eines der besten Dub-Alben seit Jahren und wahrscheinlich auch das beste dieses noch jungen Jahres.
„Overdubbed“ ist am 19. Januar 2018 auf Echo Beach erschienen.
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