Hörenswert: Flying Vipers – „Off World”

Seit über zehn Jahren tüftelt die Formation aus Boston bereits an ihrem Oldschool Dub-Reggae mit bemerkenswerter Verachtung für Marketing und moderne Aufnahmetechniken.
Ihr drittes Album “Off World” wird nun vom Label Easy Star Records vertrieben. Das hat aber nichts an ihrem puristischen Retro-Ansatz mit all seinen Sound-Eskapaden und nostalgischen Delay-Orgien geändert.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 02.05.2025 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 09.05.25 ab 00:00 Uhr.
Allerdings haben die Flying Vipers mit Kellee Webb eine grandiose Sängerin dazu gewonnen, der fantastisch zum Sound der Band passt. Und am Letzteren tüfteln die kongenialen Brüder Marc und John Beaudette seit Jahren herum. Aufgenommen und gemischt wird nach wie vor mit einem alten Tascam 8-Spur Rekorder. Die Alben werden als LP oder MC veröffentlicht.
“We never made much of an effort to ‘shop’ our music around to try to get signed or anything like that”

Somit ist der komplette Weg hin zum Konsumenten ein rein analoger. Das ist wohl nicht nur ein Statement, sondern auch die Lebensphilosophie der Brüder aus Boston, die den kreativen Kern der Flying Vipers bilden. Mit einer Art musikwissenschaftlichem Forschergeist haben die Beaudettes die Kunstform ‘Dub-Reggae’ mit seiner großen Historie analysiert und nun einen Sound kreiert, der sehr nahe an die Aufnahmen eines King Tubby oder Augustus Pablo heran reicht. Der Sound scheint so aus einer ganz anderen Epoche zu uns herüber zu kommen und ungläubig wandert der Blick zuerst auf das Erscheinungsjahr.
Die Brüder Beaudette als Bewahrer der Tradition
“Off World” wirkt etwas verstaubt, mit all den heute antiquiert klingenden Sounds und Effekt-Orgien. Die Brüder Beaudette verstehen sich so wohl als die Bewahrer einer Tradition, die einst von ähnlichen Rhythm-Sections wie zum Beispiel Sly & Robbie begründet worden ist. Ist der Dub-Reggae inzwischen global, teilweise sehr digital und heterogen, beschäftigen sich die Flying Vipers in ihrem Kosmos mit der Tradition.
Und das machen sie so gekonnt, grandios und exakt, dass es sie bereits auf die ganz großen Bühnen zusammen mit Acts wie Burning Spear, Lee „Scratch“ Perry, Steel Pulse, den Skatalites oder Hollie Cook gebracht hat.
“La Planète Sauvage”ist eine der besten Nummern auf einem Album, das sowieso ohne Ausfälle auskommt. Die Jazz-Harfenistin Brandee Younger ist hier als Solistin zu hören, was das ganze sehr geheimnisvoll klingen lässt. Auf “Believers & Deceivers” scheint posthum die Melodica von Augustus Pablo aufzutauchen. Zu guter Letzt finden wir mit “Outer Spaceways, Inc.” noch eine Coverversion des großen Sun Ra auf “Off World”, das viel Spaß macht, aber auch mit einem so expressiven Sax-Solo a la Marshall Allen dem Original nicht das Wasser reichen kann. Kaum jemand hätte wohl daran gedacht, dass Sun Ra einmal so ein Renommee unter der Dub-Reggae-Community erreichen wird.
“Off World” macht trotz (oder gerade wegen) des sehnsüchtigen ‚Pastime Paradise’ viel Spaß, ist grandios eingespielt und von Jay Champnay ebenso gut gemischt. Das richtige Album für den Frühsommer.
“Off World” ist am 18. April auf Easy Star erschienen.
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