Hörenswert: Tony Oladipo Allen – „A Tribute To Art Blakey And The Jazz Messengers”
Die Frage nach dem ‘Warum’ steht hier wohl ganz am Anfang. Braucht die Musik der Jazz Messengers einen Neuaufguss? Und braucht die Welt das?
Tony Allen sagt ‚Ja‘, kommt mit einem Haufen guter Ideen und seinem völlig eigenen interpretatorischen Ansatz, der Bobby Timmons legendären Klassiker „Moanin‘“ in eine fette treibende Afrobeat-Chimäre verwandelt.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 28.07.17 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 03.08.17 ab 00:00 Uhr.
Damit sind dann auch schon gleich alle Fragen beantwortet; man kann sich gänzlich auf dieses emotionale Lehrstück in Sachen Groove konzentrieren und einfach nur staunen. Staunen und tanzen. „Moanin“ lief gleich zwei Mal hintereinander. Unglaublich, wie lässig diese Nummer mit Tony Allen an den Drums klingen kann.
Weiter geht es zu „Night In Tunisia“ (‚Um Gottes Willen‘ mag man sich denken. ‚Noch so eine geschichtsträchtige Nummer aus dem Pantheon der Jazz-Heroen‘). Doch den verschachtelte Groove, mit dem Dizzy Gillespies altehrwürdiges Stück beginnt, kann man sich auch sehr gut als Sample in einer eleganten Elektronik-Nummer vorstellen.
Bass und Schlagzeug auf „Politely“ kleben so schön lässig zusammen und lassen die Schnulze im Sechsachteltakt richtig erdig klingen.
Fast sind wir durch. Es kommt ja lediglich nur noch „The Drum Thunder Suite“ von Benny Goldson. Wohl die Nummer, die nach „Moanin‘“am Meisten mit Art Blakey in Verbindung gebracht wird und so etwas wie ein Meilenstein im Schlagzeugspiel darstellt. Diesem gibt Tony Allen etwas mystisch treibendes, das aber gleichzeitig wunderbar schwerelos dahinschwebt. Donnerwetter!
Über den großen Tony Allen, längst selbst eine lebende Legende, braucht wohl auch an dieser Stelle nicht mehr viel gesagt werden (Hörenswert: Tony Allen – „Film of Life“). Außer dass Allen auf dieser EP mit immensem Nachdruck unterstreicht, dass es sich bei dieser Art Schlagzeug zu spielen um kein spezielles ethnomusikologisches Phänomen handelt. Im Gegenteil. Selbst Afrobeat-Nostalgiker und Adepten sind hier inzwischen völlig fehl am Platz. Viel mehr scheint Afrobeat nun nur noch als eine Art Prisma zu fungieren, das komplett neues rhythmisches Licht auf Musik wirft, die man geglaubt hat zu kennen, wie den Afrobeat. Zum Glück kann der inzwischen 76jährige noch selbst als definitorisches Korrektiv auftreten.
“I don’t play funk or jazz, I play Afrobeat.” (Tony Allen)
Längst ist Allen in Sphären entschwebt, die keine klaren Grenzen mehr zulassen. Alle vier Stücke entpuppen sich mehr und mehr als eine Art von Lehrstücken: Das schlichte Arrangement und verhältnismäßig wenig Soli schaffen viel Raum für die Grooves, die einfach sensationell dahinfahren. Die Basis der Musik wird hier fokussiert und nicht das solistische Treiben. Die Veröffentlichung auf Blue Note, die Titelauswahl, der ganz direkte Sound der Drums, die gesamte Produktion. Es liegt nahe, dass hier jemand wohlüberlegt richtige Entscheidungen getroffen hat: Es ist ein Statement. Ein Denkmal. Gleich bei ‚Moanin‘ ist wohl die Angst, es könnte etwas Überflüssiges oder gar Unangenehmes bei dieser Tribut-EP herausgekommen sein, völlig verflogen. Wie hoffentlich auch jeder Anflug von Eurozentrismus: Tony Allen hat selbst dem bedeutungsschwangeren Teil der Jazzgeschichte, selbst wenn es sich um solche Heiligtümer wie Art Blakey And The Jazz Messengers handelt, etwas Bedeutsames hinzuzufügen. Eben den Afrobeat. Und das klingt einfach nur grandios.
Die EP ist am 18. Mai 2017 auf Blue Note erschienen.
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