Hörenswert: Yard Act – „The Overload“
Die zappelige Lässigkeit der Briten, vor allem, wenn es um funky-punky Gitarrenmusik geht, ist scheinbar nach wie vor unerreichbar. Noch dazu wenn der Sänger sich durch Fake News, Politik und Dummheit sprechsingt.
Yard Act bringen mit ihrem Debüt „The Overload“ Drive in den verschlafenen Jahresanfang und machen langsam wieder Lust auf Kritik, Zynismus und Witz, die längst vergessen geglaubten Stimmungsaufheller.
Hörenswert. RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 04.02.22 ab 14:06 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 10.02.22 ab 00:00 Uhr
Leeds, Baby.
Yard Act sind trotz ihres – auch in Alben gemessenem – Alters längst kein Geheimtipp mehr, nicht nur in ihrer Heimat Leeds sind James Smith (Gesang), Ryan Needham (Bass), Sam Shjipstone (Gitarre) und Jay Russell (Schlagzeug) inzwischen quasi die musikgewordene Verkörperung eines britischen Lebensgefühls: Storytelling des Alltags, von Kleinstadtjungen im örtlichen Pub, von den müde gewordenen Aktivisten, vom ans Büro gefesselten Antikapitalisten. Zwischen Beobachtung und leichter Mitschuld am System, zwischen dem Wunsch des Aufbäumens und der Gelassenheit der Akzeptanz. Headliner-Shows, 5-Sterne-Kritiken in der „Times“ und Auszeichnungen wie „The Observer’s Artist Of The Week“ geben dem Anspruch recht, die Musik erst recht.
the age of the gentrified savage … the overload of discontent
Mit Post-Punk, Indie Rock, No Wave und dem Funk und Hip Hop der Neunziger – was in Summe immer irgendwie an den Prinz von Bel Air erinnert – schrammeln sich Yard Act über die Straßen und folgen ihrem gelegten Pfad der letzten beiden Jahre. Nach der stetigen Veröffentlichung von gleichermaßen witzigen wie düsteren Singles über ihr eigenes Imprint Zen F.C. überbrückten sie den Stillstand und die Band-widrigen Zustände der Pandemie und schufen schließlich mit „The Overload“ ein Album, das, aufgenommen mit Ali Chant (PJ Harvey, Perfume Genius, Aldous Harding), unmittelbar zeitgenössisch und gleichzeitig ziemlich retro ist. Ein politisches Album, das von den Feldstudien der menschlichen Natur geprägt ist und dementsprechend chaotisch, komplex, bewusst heuchlerisch und witzig eine Momentaufnahme unseres aktuellen Verweil-Zustands konstatiert.
„Unser Extrem besteht darin, dass ich viel rede – ich rede, bis der
Track zu Ende ist“
(James Smith)
Zu erzählen gibt es natürlich auf britischer Seite aktuell nicht zu wenig, auch mangelt es nicht an Vergleichen zu den klassischen Post-Punk-Bands früher Krisenzeiten. Trotzdem sind Yard Act ein bisschen cooler, ein bisschen eleganter und ein bisschen besser gelaunt als das schon gut gefüllte Feld und nutzen den Moment, um die Spannungen mit einem Kichern abzutun. Hier will niemand die Welt retten, sondern eher Privilegien nutzen, um Privilegien anzugreifen. Ein Filibustern gewissermaßen, gebildet genug um den Aufstand anzuzetteln und motiviert genug, um dann trotzdem vorne mitzustürmen.
Minimalistisch und tanzbar haben Yard Act bereits gewonnen und werfen „The Overload“ mit Ecken und Kanten in die Runde, um dabei zuzusehen, wie es Staub aufwirbelt. Das Zuviel der kursierenden Information wird zerstört mit noch mehr Informationen, bis sich jede Aussage ins Nichts verliert.
„The Overload“ von Yard Act ist am 21. Jänner 2022 bei Island Records erschienen.
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