Hörenswert: Yes We Mystic – „Trust Fall“
Yes We Mystic veröffentlichten ihr drittes und letztes Album – und existierten nicht mehr.
Indie ohne Wiederkehr. Hier wird nicht mit Dramatik gespart, weder bei der Geschichte, noch bei der episch großen Musik. Ein Bericht über schon wieder Vergangenes, der während des Entstehens schon wieder in eine Vergangenheit blickt.
Hörenswert. RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 25.11.22 ab 14.06 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 1.12.22 ab 00.00 Uhr
After all is set and done.
Beim Trust Fall lässt sich eine Person mit geschlossenen Augen nach hinten fallen, in die Arme einer Menge, in dem Vertrauen, aufgefangen zu werden. Das braucht nicht nur Vertrauen in andere, sondern ein zugrundeliegendes Akzeptieren, dass man in ein nicht beeinflussbares Schicksal stürzt.
Die kanadische Pop-Art-Band Yes We Mystic gründete sich vor 10 Jahren als Highschoolband, mit geliehenen Instrumenten in einem Keller in Winnipeg/Manitoba experimentierend. In kurzer Zeit würde daraus eine internationale Art-Pop-Sensation werden, die ihren Namen von einer Bank an der Bushaltestelle stahl und aufgeladen war mit einer „furchtlosen kreativen Energie“ (Exclaim!).
Yes We Mystic mixten ihre Favorites aus Folk, Rock und R&B mit Streichern, Mandolinen und Synthesizer, Pedals und Samples und erfanden ihre Musik als sanftes Grooven auf dem Weg zu gewaltigen, rasenden Höhen. Sie waren auch gleichermaßen ein Performance-Künstler-Kollektiv und erfanden sich neu als eine alternative Version der Band, gespielt von Künstler*innen und Schauspielern. Diese Version führte Interviews, spielte in Videos mit und moderierte Live-Auftritte, während sie die Band über die Natur des Gedächtnisses ständig anstachelte. Im Proberaum der Band, dem House of Wonders, begann das Herz der unkonventionellen Indie-Szene Winnipegs zu pulsieren, während ihre Mitglieder inzwischen beinahe schon wieder Veteranen ihres Genres waren. Und nun „Trust Fall“, das Ende einer Dekade, im Herbst des Vertrauens.
2019 erschien der Vorgänger „Ten Seated Figures“, ob es danach überhaupt noch ein Album geben würde, stand dabei schon in den Sternen – viel hatte sich verändert, vieles war erwachsen und etwas waren weggezogen. Die Trennung stand schon fest – aber wer nimmt die Kinder = Songs?
Adam Fuhr (Piano und eigentlich alles), Keegan Steele (vocals, synth, mandolin), Jensen Fridfinnson (vocals, violin, synth, keyboard, tape loop), Jodi Plenert (cello) und Jordon Ottenson (drum kit, auxiliary percussion) entschieden sich auf ihrem letztem Album für zwei Regeln: es müsste besser sein als alles davor und dass sie daran arbeiten würden, ohne das Endergebnis zu kennen. Das Ergebnis war melancholisch und bedrückend, direkt ins Herz und von epischer Schönheit. Auch ohne nähere emotionale Bindung macht „Trust Fall“ gleichermaßen froh und traurig. So wie wenn Dry The Rriver und Maximo Park gemeinsam Low-Indie gemacht hätten.
For those willing to see what happens
„Trust Fall“ ist nun auch das fließendste und feineste Werk von Yes We Mystic. Alles ist etwas traurig, alles ist wunderschön und perfekt, krönend und abschließend, die letzten Sonnenstrahlen könnten schöner doch nicht sein. Und dennoch, was passiert dann? Ist da etwas, das auffängt und fürs Weitergehen sorgt? So traurig wie es mit „The band Yes We Mystic no longer exists“ auf der Homepage der Band beginnt, so leuchtend geht es drüben auf Bandcamp weiter: „Yes We Mystic is for those willing to see what happens“.
Also dann, lass dich fallen!
„Trust Fall“ von Yes We Mystic erschien am 21. Oktober 2022 bei PopUp Records.
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