Hörenswert: Seu Jorge – „Carolina“
Nach über 10 Jahre Verzögerung ist Jorges grandioses Debut-Album, das bereits 1999 zum besten brasilianischen Album gewählt wurde, nun endlich auch in Europa erhältlich. Als musikalisches Kind von Größen wie Jorge Ben Jor, Milton Nascimento oder Gilberto Gil lässt Seu Jorge hier die Tradition mit der Moderne verschmelzen, wobei er Samba mit Stilistiken wie Funk, Pop, Elektronik, Hip-Hop und Reggae verschmelzen lässt.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 28.06.13 ab 14:08 Uhr, Wh am Donnerstag, 04.07.13 ab 00:00 Uhr.
Die Karriere von Seu Jorge kann ohne weiteres als traumhaft bezeichnet werden. Stammt er doch aus einem der übelsten Ghettos (Favelas) von Rio de Janeiro. Wer als Kind in diesen Favelas aufwächst hat wohl nur die Hoffnung, eines Tages Fußballprofi oder Musiker zu werden, da die Chancen, eine vernünftig bezahlte Arbeit zu finden gleich Null stehen. Seu Jorge ist es gelungen aus diesen menschenunwürdigen Verhältnissen zu entkommen. Begonnen hat alles, als er sich als Straßenkind einer Theatergruppe anschloss und fast besessen den Weg ins Rampenlicht suchte. Dabei entdeckte er mit der Musik und dem Schauspiel gleich zwei Leidenschaften für sich, die er im weiteren verlauf seines Lebens stets versuchte miteinander zu verbinden.
In logischer Konsequenz begann seine internationale Karriere, als er in dem preisgekrönten Spielfilm „City Of God“, der die hoffnungslose Situation der brasilianischen Straßenkinder thematisiert, die im Dunstkreis von Drogendealern und Auftragsmördern ums überleben kämpfen, sowohl eine Rolle übernehmen und gleichzeitig am Soundtrack mitarbeiten durfte. Hier ist wohl der sonst viel zu oft strapazierte Ausdruck des ‚Lebenskünstlers‘ wirklich angebracht.
Immer unaufdringlich und stets elegant verbindet Jorge mit unnachahmlichem Einfühlungsvermögen diverse Stilistiken: Reggae trifft auf Samba („Hagua“), Funk und Hip-Hop finden auf „Funk Baby“ ein neues brasilianisches Zuhause, „Tu Queria“ empfängt uns mit einem wunderbar blubbernden Wah-Wah-Bass, der im weiteren Verlauf auf typisch brasilianische Harmonik trifft.
„Carolina“ ist ein Album, das sehr wohl in der Tradition der brasilianischen Sambamusik verhaftet ist, aber in diesem Kontext verwegen und mutig nach neuen Ausdrucksformen sucht und diese auch ganz unüberhörbar findet. Somit ist es Seu Jorge gewesen, der den brasilianischen Samba für andere musikalische Stilistiken geöffnet hat. Nun kann sich glücklicherweise auch jeder in Europa von dieser einzigartigen Fusion ein Bild machen.
Das Album ist am 14. Juni 2013 auf Mr Bongo erschienen
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