Hörenswert: Tocotronic – „Kapitulation“
Kapitulieren schaut anders aus…
An Tocotronic, dem Aushängeschild der Hamburger Schule, gab es in den 90ern keinen Weg vorbei. Während sich die einstigen Anhänger schon lange die 70er-Jahre Flohmarkt-Trainingsjacken ausgezogen haben und erwachsen geworden sind, haben Tocotronic im Wesentlichen unbeirrt und oftmals uninspiriert weiter gemacht. Interessiert hat das nicht mehr. Bis jetzt. Schleichend und eigentlich völlig unerwartet ist ihnen mit „Kapitulation“ eine gehörige Überraschung gelungen. Tocotronic sind im Jahr 2007 wieder salonfähig.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche, am Freitag, 27.07.07, ab 14.06 Uhr auf 107,5 Mhz, Wh am Mi, 01.08.07, ab 24:00 Uhr
Ihre Attitüde haben sie nicht wirklich abgelegt: Melancholie und Verweigerung. Der Rückzug ist schließlich auch Konzept und Thema von „Kapitulation“. Jedoch sind sie keine trotzigen Nein-Sager mehr, sondern wirken entspannt und entkrampft. Die Refrains und Botschaften wieder gnadenlos gut, performt vom immer noch leicht abwesend und desinteressiert wirkenden Dirk von Lowtzow.
Textlich sind Tocotronic klarer und fassbarer geworden, zwar immer noch verklärt, aber weit weg von postpubertären Themen. Das Sounddesign (Beatsteaks-Produzent Moses Schneider) schafft auf „Kapitulation“ Dynamik und Räumlichkeit, musikalisch ist es Schrammelmusik at its best. Die 12 Titel versprühen unterschwellig Leichtigkeit und Zufriedenheit und schaffen es, den Spannungsbogen bis zum Schluss zu halten. „Sag alles ab“, „Mein Ruin“, „Kapitulation“, „Aus meiner Festung“… dieses Album funktioniert.
Irgendwie gut, dass sie ihrem Stil treu geblieben sind und nicht kapituliert haben. Es kommt ja doch nur darauf an, was man daraus macht. Und sie machen’s richtig. „Kommt alle mit, spendet Applaus, ich bin ein Star, holt mich hier raus!“. Ja, nach all den Jahren wieder gerne!
Lass' uns einen Kommentar da