Hörenswert: UMALALI – „The Garifuna Women’s Project“
Unkonventionell, feminin, spannend! Um sich die „Geschichte“ dieser CD zu vergegenwärtigen, muss man weit ausholen. Einer Theorie zu Folge sollten im Jahre 1635 zwei große Sklavenschiffe menschlichen Nachschub auf die Karibikinsel St. Vincent bringen, doch vor der Küste dieser Insel sanken sie. Die überlebenden Westafrikaner wurden von den Ureinwohnern des Eilands, den sogenannten Kariben, aufgenommen und vermischten sich mit ihnen.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche am Freitag, 28.03.08, ab 14.08 Uhr, Wh am Do, 03.04.08, ab 00:00 Uhr
Die Koexistenz der französischen Kolonisatoren und der freien Schwarzen verlief weitestgehend friedlich, doch Ende des 18. Jahrhunderts wurden die Garifuna (wörtl.: „Menschen, die Yucca essen“) und Franzosen von den Briten im sogenannten Karibenkrieg geschlagen und die Sklavenwirtschaft brach über die Garifuna herein. Sie wurden zusammen mit einigen aufständischen Sklaven auf eine nahegelegene Insel deportiert, wo mehr als die Hälfte von ihnen starb. Weitere Umsiedlungen sollten folgen. Im 19. Jahrhundert wanderten dann viele Garifuna, die inzwischen auf den Bay Islands sesshaft wurden, nach Belize aus, aber auch nach Honduras, Guatemala und Nicaragua.
Sowohl unter der spanischen Flagge als auch unter der späteren britischen Herrschaft trotzte die afro-indianische Volksgruppe in ihrer neuen Heimat dem kolonialen System und es gelang ihr bis heute, eine eigenständige Kultur und Sprache (Igñeri) zu bewahren.
Im Jahre 2001 nahm die UNESCO die Sprache, Tänze und die Musik der Garifuna in die Liste der „Meisterwerke des immateriellen Kulturerbes“ auf.
Ein Teil dieses Erbes wird auf der Compilation „UMALALI – The Garifuna Women’s Project“ bewahrt. Der Produzent Ivan Duran führt mit dieser Veröffentlichung den Weg fort, den sein im Januar 2008 verstorbener künstlerischer Partner Andy Palacio mit seinem „Garifuna Collective“ begonnen hatte. Er galt als einer der wichtigsten Botschafter der Garifuna-Musik.
Der Belizer Ivan Duran recherchierte zehn Jahre lang, bereiste viele Garifuna-Dörfer mit dem Ziel, die auffälligsten weiblichen Stimmen ausfindig zu machen, da die Frauen in erster Linie die Traditionen der Garifuna weitertragen und bei ihnen die Musik eher Bestandteil des täglichen Lebens ist, da die Männer oft auf See zum Fischen sind oder im Ausland für die Familie Geld verdienen müssen.
In einem ersten Schritt stellte Ivan Duran seine Mikros in den Küchen, Wohnräumen, Tempeln oder auch auf den Straßen auf, um die außergewöhnlichen Gesänge (Abaimahani) einzufangen.
Jahre später war es dann soweit: Duran baute in einer kleinen Grashütte ein Studio auf. Zusätzlich zu den schon eingefangenen Vokal-Aufnahmen fanden sich weitere Frauen ein, um in seinem kleinen Aufnahmeraum von ihrem persönlichen Erbe zu künden. Mütter und Töchter berichteten von Hurrikanen, den Mühen des Gebärens, dem Sehnen nach und dem Verlust von Geliebten, sowie dem Alltag mit seinen Freuden und Plagen.
Als alle Gesänge aufgenommen waren, zog sich Duran in seine professionellen Stonetree Studios zurück und fing an, völlig neue Klangszenarien für die Melodien zu skizzieren. Viele Melodien sind noch nie zuvor im Kontext von Instrumenten gehört worden. Den Instrumentalpart spielte Duran entweder selbst ein, oder griff auf die All Star Band „The Garifuna Collective“ zurück.
Ivan Duran paart die charaktervollen Frauen-Stimmen mit feinsinnigen, überwiegend akustischen Texturen. Neben Karibik-Roots treten auch dezente Blues-, Rock-, AfroFunk- oder Latin-Einflüsse hervor. Dem Produzenten gelingt es aber, dass die Instrumente nie als Fremdkörper wirken, es herrscht ein homogener Fluss und die Musik läuft nie Gefahr, in Kitsch abzudriften oder zu „verwestlicht“ zu klingen.
Für manchen mögen die Frauen-Stimmen zunächst etwas befremdlich klingen, da Tonlage und Klangfarbe nicht der abendländischen Musikästhetik entsprechen. Wer sich aber darauf einlassen kann und etwas Neugierde und Offenheit mitbringt, wird mit der CD „UMALALI – The Garifuna Women’s Project“ seine helle Freude haben.
Sängerinnen u.a.: Sofia Blanco, Silvia Blanco, Desere Diego, Chella Torres, Marcelina „Masagu“ Fernandez Guity, Julia Nunez, Bernadine Flores, Damiana Gutierez, Sarita Martinez, Elodia Nolberto.
Die CD erscheint am 04.04.2008 auf Cumbancha
Tracklist:
01. Nibari (My Grandchild)
02. Mérua
03. Yündüya Weyu (The Sun Has Set)
04. Barübana Yagien (Take Me Away)
05. Hattie
06. Luwübüri Sigala (Hills Of Tegucigalpa)
07. Anaha Ya (Here I Am)
08. Tuguchili Elia (Elia’s Father)
09. Fuleisei (Favours)
10. Uruwei (The King)
11. Áfayahádina (I Have Traveled)
12. Lirun Biganute (Sad News)
Spielzeit: 38:15 min
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