Allison Russell – „The Returner“
„The Returner“ von Allison Russell ist der feierliche Soundtrack eines Gefühls, voll Groove, Funk und geheimer Gartentüren zur Party hinterm Haus.
Eine radikale Rückgewinnung der Gegenwart, eine Echtzeit-Vereinigung von Körper, Geist und Seele.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 22.9.23 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 5.10.23 ab 00:00 Uhr
Die Kanadierin Allison Russell ist Singer/Songwriterin, Poetin, Multiinstrumentalistin und Aktivistin, war Teil von Birds of Chicago und Our Native Daughters und wurde auch noch viermal für den Grammy nominiert. Zwischen Soul, Pop und Folk im Midtempo erhebt sie sich und ihre Stimme seit ihrem Debüt 2021 als Rising Star und definiert Musikkunst für das 21. Jahrhundert triumphal neu.
„The Returner“ ist das zweite Album nach dem preisgekröntem „Outside Child“ (2021) und für Russell eine Art Wiedergeburt des Bewusstseins, ein Zelebrieren des Hier und Jetzt, der Tatsache, dass wir nach allem schlussendlich doch überlebt haben und als „körpererschütternder, bewusstseinserweiternder, gefühlvoller Ausdruck von schwarzer Befreiung, schwarzer Liebe und schwarzer Selbstachtung“ (jpc.de). Die grundlegenden Freuden der menschlichen Existenz – plus Tanzen. Eine pure Artikulation von Rhythmus, Groove und Synkopen, ein dringlicher Aufruf zum Handeln und politischen Aktivismus und ein Multiversum von Energien, das den Jubel und den Schlachtruf vereint. Es ist aber auch eine Pause vor persönlichen Themen, die auf dem Vorgängeralbum bewegend und erschütternd zugleich erzählt wurden, unter anderem vom früheren Missbrauch durch ihren Stiefvater.
Der Albumtitel ist der Konzentration auf das Gute gewidmet und ist von Joni Mitchell inspiriert: „Ich habe ein Gedicht über Joni geschrieben und in dem Gedicht nannte ich sie ‚Our Lady Returner‘. Ich dachte darüber nach, wie viel Mut und Anmut sie als Mensch besitzt, um nicht nur einmal, sondern dreimal vom Tod zurückzukommen und nicht nur wieder zu lernen, wie man singt und spielt, sondern auch, wie man geht und spricht […]“ Ein Triumph der Musik und der Liebe.
„The Returner“ ist weniger autobiografisch als sein Vorgänger aber nicht weniger intensiv. Es ist lauter und rauer, lebender und atmender. Gelächter, Streicher und der „Rainbow Coalition Choir“ eröffnet mit „Springtime“ den Frühling der Gegenwart. Es ist eine zweite Chance, die Allison Russell nicht verpassen möchte, und die Freunde helfen gerne weiter: Joy Clark spielt bei einigen Tracks die Akustikgitarre mit, Wendy Melvoin und Lisa Coleman (von Prince’s Revolution) sind an den Gitarren und Keyboards zu hören, und am Ende der Platte gibt es sogar einen Superstar-Gastchor.
In „Demons“ setzt sie sich mit der Identität als farbige Frau auseinander und verfrachtet alle negativen Stimmen in einen Bus und „turn them into Freedom Riders“, „Eve was Black“ fragt nach den Gründen all der Stereotypen, denen People of Color von Rassisten angehängt werden, analysiert die Psychologie und benennt gleichzeitig die Sehnsucht nach einer Rückkehr, „zurück zu dem Glanz, den du verloren hast, als du deine Verwandten versklavt hast,“, mit Banjo und satten Streichern. „All Without Within“ ist die Verkündigung eben jener Genesung des eigenen Körpers, der Rückkehr in das eigene Selbst und leitet kühn und rhythmisch von der Trommeln geleitet in Richtung Ausbruch. „Stay Right Here“ ist großes Disko-Kino mit der sich rasant bewegender Tanzfläche der 70er-Jahre. Das schleichend- schwebende „Snakelife“ greift grüblerische auf die Metapher der Häutung zurück, auf das Abstreifen des Alten und auf das Erneuern des Lebendigen.
In der Hymne „Requiem“ sagt Allison Russell zur schmerzenden Welt: „Mach weiter, mein Kind, Hoffnung ist ein Präriefeuer / Lege deine Glut auf den Sommerwind“, bereit, aufzubauen und zu ermutigen, eine Hoffnung zu nähren, die nicht enttäuscht. Und tut genau das.
„The Returner“ von Allison Russell ist am 8. September 2023 bei Fantasy Records erschienen.
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