Sonntag, 21. Mai 2023 ab 17:06 Uhr
Das Testosteron Problem
Der Film “Close” des belgischen Regisseurs Lukas Dhont (wurde in Cannes ausgezeichnet und war heuer für die Oscars nominiert) lenkt unser Augenmerk auf “diesen exakten Moment im Leben, wenn der Übergang zwischen Kindheit und Pubertät beginnt”. Das scheint zunächst nicht besonders weltbewegend zu sein – ist es aber. Denn wenn wir uns umschauen auf dieser Welt voller Gewalt und Unterdrückung, erleben wir doch immer wieder eine “Unheimliche Begegnung” mit “dem Menschen, der alles zerstört”. Da fragt man sich zu Recht, woran das liegen mag, dass unsere feinste Gefühlsglasbläserei viel zu oft unter den dreckigen Stiefeln einer angeblichen “Realität” zertrampelt wird.
Am Patriarchat? An der Ungerechtigkeit? Womöglich gar am Testosteron?
Lukas Dhont sagt dazu in einem Interview: “Es ist genau der Moment, wenn sich für diese Jugendlichen Sprache und Ausdruck verändern, weil gesellschaftlicher Druck zu wirken beginnt.“ Und dabei muss ich schon auch an den Moment denken, an dem der Testosteronspiegel in männlichen Heranwachsenden den Schwellwert erreicht, ab welchem es zu gewaltigen psychischen Auswirkungen und zur Veränderung des Verhaltens kommt. Danach ist nämlich für alle Beteiligten nichts mehr so, wie es vorher war. Vom Inneren eines vielleicht 13-jährigen heraus beschrieben bricht seine bisherige Welt zusammen. Sein gesamtes Leben, in dem er sich über all die Jahre als Kind eingerichtet hat, funktioniert mit einem Mal nicht mehr. Und er weiß nicht, warum. Denn die Veränderungen haben sich unbemerkt ereignet, sind geradezu heimlich in sein Dasein gelangt – und jetzt fühlt und handelt er so, wie er sich gar nicht kennt.
Das kommt tatsächlich einem vorübergehenden Persönlichkeitsverlust gleich und ist eine massive Lebenskrise. Inmitten dieser fundamentalen Erschütterung und einer damit einhergehenden radikalen Verunsicherung müsste er sich jetzt quasi von Grund auf “neu erfinden”. Doch das ist im Zustand der Angst vor dem Verlust der eigenen Persönlichkeit nachgerade unmöglich, da dies eine Todes- und Vernichtungsangst ist, die einen innerlich paralysiert. Wir sehen also, dass wir uns hier einem überaus heiklen Thema annähern, das die Welt, in der wir leben, durchdringt und prägt …
“Die Überraschung aber ist – im Grunde wissen wir ja, dass heranwachsende Jungs ihre Emotionalität und ihre Verletzlichkeit übertünchen. Was wir nicht wussten – sie hatten den vollen Zugang dazu in ihrer frühen und mittleren Pubertät. Sie verfügten über diese ausgesprochen intimen Freundschaften – und sie beginnen sie in ihrer späteren Pubertät zu verlieren, sobald der “Männlichkeitsdruck” stärker in ihr Leben dringt. So verlieren sie die Verbindung zu genau den Beziehungen, die so wesentlich für sie sind, um (wie sie es ausdrücken) nicht verrückt zu werden.”
Niobe Way über “Deep Secrets – Boys’ Friendships and the Crisis of Connection”
Sendungen zum Nachhören
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Das lang erwartete neue Album von SoundDiary ist nunmehr erschienen – und mit großer Freude stellen wir es euch hier und heute und in voller Länge vor: FourWord – Fairy Tales for Cyborgs (dessen Gesamtlänge von über 58 Minuten uns zur kürzesten Signation aller Zeiten…
Die Übermuttergottes
Wir leben in einer “toxischen” Welt. Oder etwa nicht? Da wird es Zeit, eine Artarium-Adventandacht zum Thema “falsche Geschichten” zu gestalten. Zumal der Marienfeiertag im Konsumrausch beispielhaft versinnbildlicht, wie toxische Dogmen aus dem Altherrenverein Kirche und das damit verbundene toxische Frauenbild, ich sag nur “Heilige”…
Scenes from a Night’s Dream
Es geht ans Eingemachte. Aber mit Humor, das ist überlebenswichtig. Beginnen wir mit einem Urgestein der hierzulandigen Unterhaltungskunst: Lukas Resetarits, der in seinem Programm “Schmäh” einige Wirklichkeiten bis zur Kenntlichkeit entstellt. Und der endlich auch einem Grundphänomen der peinlich/lustigen Selbstäußerung den nötigen Platz einräumt: dem…
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Seltsam, im Nebel zu stochern. Oder unter dem Teppich nachzuschauen, was da schon so lang drunter gekehrt wird. Oder doch nicht? Die Generation der Nachkriegskinder ist mit erheblichen Leerstellen im Familiengedächtnis aufgewachsen. Mit Auslassungen, Umdeutungen und Tabus in der Erinnerung. Thomas Andreas Beck allerdings macht…
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